Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattungsfähigkeit der Prozessgebühr des Berufungsbeklagten

 

Leitsatz (amtlich)

Auch bei mehrfacher Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist mit anschließender Rechtsmittelrücknahme ist die durch einen frühzeitigen Zurückweisungsantrag entstandene volle Prozessgebühr des Berufungsbeklagten nicht zu erstatten. Erstattungsfähig ist nur eine halbe Prozessgebühr nach § 32 BRAGO (Gegenstandswert der Berufung) sowie eine volle Gebühr aus dem Kostenwert für den Antrag nach § 515 Abs. 3 ZPO.

 

Normenkette

ZPO §§ 91, 515; BRAGO §§ 31-32

 

Verfahrensgang

LG Mainz (Aktenzeichen 1 O 545/97)

 

Tenor

Beschwerdewert: 780,33 DM.

 

Gründe

Die zulässige sofortige Beschwerde ist nicht begründet.

Die Rechtspflegerin hat zu Recht nur eine halbe Prozessgebühr aus dem Streitwert des Berufungsverfahrens und die volle Prozessgebühr aus dem Kostenstreitwert der Kosten der Berufung angesetzt.

1. Die in Rechtsprechung und Literatur hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit der Prozessgebühr des Berufungsbeklagten vertretenen Auffassungen gehen für den Fall, dass die Berufung vor ihrer Begründung zurückgenommen oder mangels Begründung verworfen wird, weit auseinander (vgl. Nachweise bei Zöller/Herget, ZPO, 22. Aufl., § 91 Rz. 13 „Berufung”).

2. Der Senat vertritt seit langem die Meinung (OLG Koblenz, JurBüro 1978, 230; JurBüro 1981, 387), dass der Berufungsbeklagte einen Rechtsanwalt für die Rechtsmittelinstanz beauftragen kann, sobald das Rechtsmittel eingelegt ist. Er muss demnach nicht abwarten, bis ihm die Rechtsmittelbegründung zugestellt worden ist.

Nicht notwendig und damit nicht erstattungsfähig ist jedoch die zweite Hälfte der Prozessgebühr, die dadurch anfällt, dass der Prozessbevollmächtigte bereits schriftsätzlich den Antrag auf Zurückweisung der Berufung ankündigt, ohne die Berufungsbegründungsschrift abzuwarten. Erstattungsfähig ist neben der hälftigen Prozessgebühr aus der Hauptsache (§ 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO; § 32 Abs. 1 BRAGO) ferner die Prozessgebühr aus dem Kostenwert des Berufungsverfahrens, wobei beide zusammen Gebühren nicht höher sein dürfen als die volle Gebühr nach dem Wert der Hauptsache.

Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn eine Erklärung des Berufungsführers fehlt, es stehe noch nicht fest, ob die Berufung durchgeführt werde (OLG Koblenz JurBüro 1981, 387).

3. Hieran hält der Senat auch für den Fall fest, dass – wie hier – die Berufungsbegründungsfrist mehrfach verlängert wird und erst dann die Rücknahme des Rechtsmittels erfolgt.

Die gebührenwirksamen Maßnahmen eines Rechtsanwaltes müssen erstattungsrechtlich am Maßstab der Notwendigkeit ausgerichtet sein. Eine kostenbedachte Prozessführung rechtfertigt lediglich die Beauftragung des beim Berfungsgericht zugelassenen Rechtsanwaltes, nicht aber zugleich dessen Tätigwerden in Form einer schriftsätzlichen Ankündigung des Antrages, die Berufung zurückzuweisen.

Sinnvollerweise kann ein solcher Antrag erst gestellt werden, wenn der Berufungsantrag und die Begründung der Berufung vorliegen. Zuvor weiß der Berufungsbeklagte noch gar nicht, welches Ziel der Berufungskläger verfolgt und in welchem Umfang das Rechtsmittel durchgeführt werden soll. Die Ankündigung eines Sachantrages des Berufungsbeklagten ist unter diesen Umständen nicht geeignet, das Verfahren zu fördern; sie ist daher auch zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung nicht erforderlich.

Das gilt entgegen einer verbreiteten Auffassung (vgl. z.B. OLG Düsseldorf v. 9.2.1995 – 10 WF 3/95, MDR 1995, 857 = OLGR Düsseldorf 1995, 217) auch dann, wenn die Frist zur Begründung des Rechtsmittels mehrfach verlängert wird.

Der Anwalt des Berufungsbeklagten wird sich eingehend mit der Sache erst dann befassen, wenn die Berufungsbegründung vorliegt. Sein zuvor angekündigter Sachantrag ist zu diesem Zeitpunkt ohne jeglichen Einfluss auf die Verfahrensgestaltung und zwar unabhängig davon, ob die Begründungsfrist mehrfach verlängert wird oder nicht.

Insoweit ist es dem Berufungsbeklagten zuzumuten, dass sein Antrag auf Zurückweisung des Rechtsmittels von der gegnerischen Entschließung betreffend die Durchführung der Berufung innerhalb der möglicherweise mehrfach verlängerten Begründungsfrist abhängt (anderer Ansicht OLG Düsseldorf v. 9.2.1995 – 10 WF 3/95, MDR 1995, 857 = OLGR Düsseldorf 1995, 217). Er erleidet hierdurch keine prozessualen Nachteile.

Die sofortige Beschwerde ist danach mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Der Beschwerdewert ergibt sich aus dem Beschwerdeangriff (1.017,20 DM abzüglich 344,50 DM + 16 % MwSt.).

Koblenz, 13.6.2001

OLG, 14. Zivilsenat

Kaltenbach Dr. Menzel Stein

 

Fundstellen

Haufe-Index 1107634

AGS 2002, 164

KammerForum 2002, 380

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