Leitsatz (amtlich)
1. Auf eine vor dem 1.9.2009 getroffene Vereinbarung zum Versorgungsausgleich ist das seit dem 1.9.2009 geltende VersAusglG anwendbar, wenn das Familiengericht nach dem 31.8.2010 über den Versorgungsausgleich entscheidet.
2. Eine Vereinbarung nach § 6 VersAusglG ist von dem Familiengericht einer Inhalts- und Ausübungskontrolle zu unterziehen, die sich an den hierfür mit Bezug auf Eheverträge und Scheidungsfolgenvereinbarungen geltenden Grundsätzen orientiert.
3. Ein ohne adäquate Kompensation vereinbarter Verzicht auf den Versorgungsausgleich ist nur dann nach § 138 BGB sittenwidrig, wenn nach den Gesamtumständen der kompensationslose Verzicht für einen Ehegatten eine unzumutbare Lastenverteilung ergibt.
4. Die Vereinbarung eines kompensationslosen Verzichts auf den Versorgungsausgleich hält dann einer Inhaltskontrolle stand, wenn in einer nicht langen Ehe der an sich ausgleichsverpflichtete Ehegatte im Wesentlichen das Familieneinkommen erwirtschaftet hat, während der an sich ausgleichsberechtigte Ehegatte einer Ausbildung (Studium mit Referendariat) absolviert hat und dadurch in die Lage versetzt wurde, eine gute und sichere Altersversorgung aufzubauen, an der der andere Ehegatte nicht mehr partipiziert. Das kann auch dann gelten, wenn aus der Ehe ein Kind hervorgegangen ist.
Verfahrensgang
AG Mainz (Beschluss vom 22.12.2010; Aktenzeichen 33 F 93/10) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Mainz vom 22.12.2010 aufgehoben.
Ein Versorgungsausgleich findet nicht statt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Hinsichtlich der Kosten der ersten Instanz bleibt es bei der Kostenentscheidung im angefochtenen Beschluss.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 8.820 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Das AG hat mit Urteil vom 20.2.2009 die am 1.9.2000 in ... [X] geschlossene Ehe der Beteiligten geschieden. Mit Beschluss vom gleichen Tag hat es das Verfahren über den Versorgungsausgleich abgetrennt, nachdem die Beteiligten in der Anhörung über die Scheidung eine Vereinbarung geschlossen haben, nach der sie wechselseitig auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs verzichten. Das AG hat auf Bedenken an der Genehmigungsfähigkeit der Vereinbarung hingewiesen und Auskünfte bei den Versorgungsträgern eingeholt. Mit Schriftsatz vom 4.10.2010 hat die Antragsgegnerin die Rücknahme des Antrags auf Ausschluss des Versorgungsausgleichs erklärt.
Der Antragsgegner war bei der Eheschließung und ist auch heute noch Beamter (Staatsanwalt). Die Antragstellerin war vor Eheschließung ausgebildete Diplom-Pädagogin und bis August 2000 berufstätig. Zum Zeitpunkt der Eheschließung war sie Lehramtsstudentin. Am ... 2003 wurde die gemeinsame Tochter der Beteiligten ... [A] geboren. Die Antragstellerin beendete ihr Studium erfolgreich und war in der der Zeit von November 2004 bis 31.10.2006 Referendarin für das Lehramt. Sie trat am 1.11.2006 in die Berufstätigkeit ein (Berufsschullehrerin)und ist seit dem 1.11.2008 auf Lebenszeit verbeamtet. Im Oktober 2008 hat sie aus einer neuen Verbindung ein Kind geboren.
Die Beteiligten haben sich im Juli 2005 getrennt. Am 1.11.2005 ist der Antragsgegner aus der früheren gemeinsamen Ehewohnung ausgezogen. Der Scheidungsantrag wurde dem Antragsgegner am 8.5.2008 zugestellt.
Der Antragsgegner zahlte Kindes- und bis zum 1.11.2006 Trennungsunterhalt i.H.v. insgesamt 780 EUR. Die Beteiligten haben mit notarieller Urkunde vom 30.3.2007 den Zugewinnausgleich in der Weise geregelt, dass an die Antragstellerin 41.000 EUR gezahlt wurden.
Das AG hat in der abgetrennten Folgesache Versorgungsausgleich mit dem angegriffenen Beschluss den Versorgungsausgleich durchgeführt und die in der Ehezeit (1.9.2000 bis 30.4.2008) erworbenen Anteile von Anrechten der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund und der Oberfinanzdirektion ... und des Antragsgegners bei der Oberfinanzdirektion ... jeweils zur Hälfte geteilt. Es hat die von den Beteiligten getroffene Vereinbarung zum Versorgungsausgleich als nicht wirksam angesehen. Die Vereinbarung sei nicht formell wirksam. Sie sei auch nicht nachvollziehbar, da nicht vorgetragen sei, ob und inwieweit für die relativ hohen Ausgleichsbeträge eine Kompensation geschaffen worden sei.
Dagegen richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners, mit der er die Aufhebung des amtsgerichtlichen Beschlusses und den Ausspruch des Ausschlusses des Versorgungsausgleichs begehrt. Er macht geltend, die Durchführung des Versorgungsausgleichs sei aufgrund der Rollenverteilung während langer Zeiten der Ehe grob unbillig. Die eheliche Lebens- und Haushaltsführung sei im Wesentlichen aus seinem Einkommen bestritten worden. Er habe der Antragstellerin das Studium finanziert und ihr die Möglichkeit zu einem eigenen und sicheren Einkommenserwerb eröffnet. Bei Durchführung des Versorgungsausgleich würde er mehrfach benachteiligt, da er zum einen das Einkommen der Antragstellerin während der Studie...