Entscheidungsstichwort (Thema)
Erfolglose Schlichtung keine Zulässigkeitsvoraussetzung für auf § 823 BGB gestützte Schadensersatzklage unter Nachbarn
Leitsatz (amtlich)
Stützt ein Nachbar sein Schadensersatzverlangen wegen Beschädigung einer Grenzeinrichtung unmittelbar auf § 823 Abs. 1 BGB, ist die Klage ohne Durchführung eines Schlichtungsverfahrens nach dem rheinland - pfälzischen Landesschlichtungsgesetz zulässig - Abgrenzung zu OLG Zweibrücken, Urt. v. 9.7.2012 - 7 U 302/11.
Normenkette
BGB §§ 823, 906 Abs. 2 S. 2; SchlG RP § 1 Abs. 1 Nr. 1; ZPOEG § 15a Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Koblenz (Beschluss vom 28.09.2012; Aktenzeichen 8 O 361/10) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des LG Koblenz vom 28.9.2012 unter Zurückweisung des weiter greifenden Rechtsmittels teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
2. Jede der Parteien hat 50 % der Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe
Der Kläger hatte von der Beklagten Schadensersatz verlangt, weil eine auf deren Grundstück unter Nichtbeachtung der maßgeblichen Abstandsvorschrift gepflanzte Buchenhecke im Laufe der Zeit die unmittelbar angrenzende Mauer auf dem Grundstück des Klägers beschädigt, insbesondere aus der Vertikalen gedrückt hatte. Nach Beweiserhebung haben die Parteien mit Blickrichtung auf einen außergerichtlich vereinbarten Grundstückstausch die Hauptsache für erledigt erklärt.
Durch die nunmehr angefochtene Entscheidung hat das LG die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt mit der Begründung, die Klage sei bereits unzulässig gewesen, da der Kläger versäumt habe, ein Schlichtungsverfahren nach § 15a EGZPO i.V.m. § 1 Abs. 1 des rheinland - pfälzischen Landesschlichtungsgesetzes durchzuführen.
Dadurch sieht der Kläger sich überrascht. Er meint, das Landesschlichtungsgesetz sei hier nicht anwendbar.
Dem ist beizupflichten. § 15a EGZPO ermächtigt die Landesgesetzgeber eine Schlichtung vorzuschreiben in Streitigkeiten über Ansprüche aus dem Nachbarrecht nach den §§ 910, 911, 923 BGB und nach § 906 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie nach den landesgesetzlichen Vorschriften i.S.d. Art. 124 EGBGB.
§ 1 des rheinland - pfälzischen Landesgesetzes vom 10.9.2008 zur Ausführung des § 15a EGZPO (Landesschlichtungsgesetz - LSchlG) bestimmt, dass die Erhebung einer Klage erst zulässig ist, nachdem von einer in § 3 genannten Gütestelle versucht worden ist, die Auseinandersetzung einvernehmlich beizulegen, in Streitigkeiten über Ansprüche wegen
a) der in § 906 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) geregelten Einwirkungen, sofern es sich nicht um Einwirkungen von einem gewerblichen Betrieb handelt,
b) Überwuchses nach § 910 BGB,
c) Hinüberfalls nach § 911 BGB,
d) eines Grenzbaumes nach § 923 BGB.
Unter Hinweis auf ein Urteil des OLG Zweibrücken vom 9.7.2012 - 7 U 302/11 - hat das LG die Auffassung vertreten, die Streitschlichtung sei auch vor der gerichtlichen Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aus der Nichtbeachtung der genannten Vorschriften obligatorisch.
Dem kann derart pauschal nicht gefolgt werden. Der Senat muss dabei nicht entscheiden, ob er die Rechtsansicht des OLG Zweibrücken für unzutreffend hält, so dass sich eine Übertragungsentscheidung wegen grundsätzlicher Bedeutung erübrigt (§ 568 Nr. 2 ZPO). Der Sachverhalt der Entscheidung des OLG Zweibrücken ist nämlich mit dem vorliegenden Fall im entscheidenden Punkt nicht vergleichbar. Hier wie dort kann die Anwendung des Landesschlichtungsgesetzes nur aus § 906 BGB hergeleitet werden. Zum Entschädigungsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB vertritt der Senat jedoch seit jeher die Ansicht, dass er auf die Kosten der Beseitigung solcher Nachteile beschränkt ist, denen der Beeinträchtigte nicht mit einer Abwehrklage nach § 1004 BGB begegnen konnte (durch Nichtannahmebeschluss des BGH v. 15.12.2011 - V ZR 68/11 - bestätigtes OLG Koblenz 5 U 1146/10 vom 24.2.2011, auszugsweise abgedruckt in JurBüro 2012, 501).
Anders als im Fall des OLG Zweibrücken hätte der Kläger hier die Beeinträchtigung seines Eigentums mit einer Beseitigungsklage nach § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB unterbinden können, weil die Buchenhecke nicht den maßgeblichen Grenzabstand einhielt. Gegenstand der Zahlungsklage war demnach ein unmittelbar aus § 823 Abs. 1 BGB abzuleitender Schadensersatzanspruch wegen Eigentumsbeeinträchtigung. Dass die gerichtliche Durchsetzung eines derartigen Anspruchs erst nach erfolgloser Schlichtung zulässig ist, wird nach den Erkenntnismöglichkeiten des Senats nirgends vertreten (vgl. BGH in MDR 2012, 579 - 580; OLG Hamm, Urteil 5 U 32/11 vom 6.6.2011; jeweils mit weiteren Nachweisen).
Nach alledem war die Zahlungsklage zulässig. Sie hätte aller Voraussicht nach auch einen Teilerfolg gehabt. Dass die Buchenhecke auf dem Grundstück der Beklagten mit ihrem Wurzelwerk die Mauer auf dem Grundstück des Klägers erheblich aus dem Lot gedrückt hatte, ist durch die Bilder in den Akten be...