Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtskraftwirkung eines Schmerzensgeldurteils in einer Arzthaftungssache; Umfang der sachlichen Prüfungskompetenz im PKH-Beschwerdeverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Grundlage eines weiteren Schmerzensgeldes können nur solche Verletzungsfolgen sein, die zum Zeitpunkt des ersten Urteils noch nicht eingetreten oder nicht erkennbar waren und daher bei der Bemessung des Schmerzensgeldes unberücksichtigt geblieben sind.
2. Verbleiben im PKH-Beschwerdeverfahren beim OLG Positionen, die insgesamt nicht in die sachliche Zuständigkeit des LG fallen, unterbleibt insoweit eine Prüfung der Erfolgsaussicht. Der Beschwerdeführer ist auf einen PKH-Antrag bei dem sachlich zuständigen AG zu verweisen.
Verfahrensgang
LG Mainz (Beschluss vom 29.03.2004; Aktenzeichen 2 O 58/04) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des LG Mainz vom 29.3.2004 wird zurückgewiesen.
2. Die Beschwerdeentscheidung ergeht gerichts- gebührenpflichtig; Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Nach vorprozessualer Zahlung eines Schmerzensgeldes von 10.000 DM sind dem Antragsteller durch rechtskräftiges Urteil vom 20.3.2003 wegen ärztlicher Fehlbehandlung weitere 10.000 Euro Schmerzensgeld nebst Zinsen zuerkannt worden. Daneben ist die Verpflichtung der Beklagten festgestellt worden, dem Kläger sämtliche materiellen und immateriellen Zukunftsschäden aus der ärztlichen Fehlbehandlung zu ersetzen.
Der Antragsteller möchte nunmehr
a) ein weiters Schmerzensgeld von 20.000 Euro
b) eine Schmerzensgeldrente von 500 Euro monatlich
c) einen Verdienstausfall von 93.600 Euro und
d) einen weiteren materiellen Schaden von 3.500 Euro
einklagen und hat hierfür um Prozesskostenhilfe nachgesucht.
Das LG hat den Antrag mit der Begründung abgelehnt, durch das zuerkannte Schmerzensgeld seien die derzeitigen Ausfälle und Beschwerden abgegolten. Einen dem Schadensereignis zuzuordnenden Einkommensverlust und die behaupteten Kosten von 3.500 Euro habe der Antragsteller nicht hinreichend dargetan.
Mit seiner sofortigen Beschwerde ergänzt und vertieft der Antragsteller insb. seinen erstinstanzlichen Vortrag zu dem behaupteten materiellen Schaden von 3.500 Euro.
Das zulässige Rechtsmittel ist im Ergebnis ohne Erfolg.
Eine Erfolgsaussicht der Anträge auf Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldes und einer monatlichen Schmerzensgeldrente hat das LG zu Recht verneint. Dem Anspruch des Klägers auf Zahlung eines Schmerzensgeldes steht die Rechtskraft des Urteils vom 20.3.2003 entgegen. Die beabsichtigte Klage wäre unzulässig.
§ 322 Abs. 1 ZPO bestimmt, dass Urteile insoweit der Rechtskraft fähig sind, als über den durch Klage oder Widerklage erhobenen Anspruch entschieden ist. Unter Anspruch in diesem Sinne ist das prozessuale Begehren, d.h. der durch den Klageantrag und den zu seiner Begründung vorgetragenen Lebenssachverhalt umgrenzte Streitgegenstand (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) zu verstehen. Die Rechtskraft eines Urteils bezieht sich daher auf diejenige Rechtsfolge, die aufgrund eines bestimmten Sachverhalts am Schluss der mündlichen Verhandlung den Gegenstand der Entscheidung bildet. Ihr Umfang ergibt sich aus der Urteilsformel, zu deren Auslegung Tatbestand und Entscheidungsgründe einschließlich des dort in Bezug genommenen Parteivorbringens heran zuziehen sind (vgl. BGH v. 19.9.1985 - VII ZR 15/85, MDR 1986, 312 = NJW 1986, 1046).
Verlangt ein Kläger, wie hier der Antragsteller im Vorprozess, aufgrund einer ärztlichen Fehlbehandlung die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes (§§ 823, 847 BGB), wird der Streitgegenstand maßgeblich von dem zur Anspruchsbegründung vorgetragenen Verletzungstatbestand und seinen Folgen geprägt. Durch den zum Ausgleich des immateriellen Schadens zuerkannten Betrag sollen daher alle diejenigen Verletzungen und Beschwerden abgegolten werden, die sich aus dem Streitstoff ergaben, den die Prozessparteien dem Gericht in der letzten mündlichen Verhandlung zur Beurteilung unterbreitet hatten und auf den der Kläger sein Schmerzensgeldbegehren gestützt hatte. Lediglich solche Verletzungsfolgen, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht eingetreten oder nicht erkennbar waren und die deshalb zwangsläufig bei der Bemessung des Schmerzensgeldes unberücksichtigt geblieben sind, werden von der vom Gericht ausgesprochenen Rechtsfolge nicht umfasst und können die Grundlage für einen Anspruch auf ein weiteres Schmerzensgeld bilden (vgl. BGH BGHZ 18, 149 [167]; VersR 1963, 1048 [1049]; VersR 1976, 440 [441]; vom 8.7.1980 - VI ZR 72/79, MDR 1981, 42 = VersR 1980, 975).
Die Frage, ob und welche im Vorprozess bereits vorliegenden Verletzungsfolgen aufgrund des dort zur Entscheidung gestellten Sachverhalts zu erkennen und damit grundsätzlich einschließlich ihrer nahe liegenden künftigen Auswirkungen bei der Bemessung des Schmerzensgeldes zu berücksichtigen waren, ist objektiv, d.h. nach den Kenntnissen und Erfahrungen eines insoweit Sachkundigen, zu beantworten. Darauf, ob der Kläger den weiteren Verlauf der geltend gem...