Leitsatz (amtlich)
1. Vollstreckt ein Elternteil aus einem seinerzeit von ihm in Verfahrensstandschaft erstrittenen und somit auf seinen Namen lautenden Kindesunterhaltstitel, so muss sich das betroffene Kind diese Vollstreckung ab Erreichen der Volljährigkeit nicht mehr zurechnen lassen.
2. Ein volljähriges Kind hat auch auf Aufforderung keine Obliegenheit, einen aus Zeiten seiner Minderjährigkeit stammenden und infolge seinerzeit bestehender Verfahrensstandschaft auf seinen Elternteil lautenden Kindesunterhaltstitel auf sich umschrieben zu lassen, um den Missbrauch des Titels durch den in diesem als Gläubiger benannten Elternteil zu verhindern. Dem Titelschuldner steht insoweit ein Vollstreckungsabwehrantrag (§ 767 ZPO) gegen den vollstreckenden Elternteil offen.
Normenkette
BGB § 812 Abs. 1, § 818 Abs. 3, § 819 Abs. 1, § 1629 Abs. 3; FamFG § 120; ZPO §§ 727, 731, 767
Verfahrensgang
AG Montabaur (Aktenzeichen 16 F 217/20) |
Tenor
1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Montabaur vom 22.04.2021 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Der Verfahrenswert wird für das Beschwerdeverfahren auf 3.574,34 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller ist der Vater der am ... 10.2001 geborenen Antragsgegnerin und nimmt diese auf Rückzahlung überzahlten Kindesunterhalts in Anspruch.
Der Unterhaltszahlung lagen zwei einstweilige Anordnungen (Amtsgericht Montabaur Az. 3 F 97/17 eA und 3 F 71/18 eA) über den vom Antragsteller für die Antragsgegnerin und deren Bruder zu leistenden Kindesunterhalt, welche die Kindesmutter und vormalige Ehefrau des Antragstellers im Wege der Verfahrensstandschaft für die Kinder erstritten hatte, sowie durch die Kindesmutter auch über die Volljährigkeit der Antragstellerin hinaus betriebene Vollstreckungsmaßnahmen aus diesen Titeln zugrunde. Mit weiterem Beschluss vom 18.06.2020 erklärte das Familiengericht (Amtsgericht Montabaur Az. 16 F 41/20) auf gegen die Kindesmutter gerichteten Antrag des Antragstellers die Zwangsvollstreckung aus den vorgenannten einstweiligen Anordnungen insoweit für unzulässig, als aus diesen Unterhalt für die Antragsgegnerin gepfändet wird.
Im vorliegenden Verfahren hat der Antragsteller geltend gemacht, die Kindesmutter habe für die Antragsgegnerin von Januar bis August 2019 1.203,84 EUR, von September bis Dezember 2019 1.240,00 EUR und von Januar bis April 2020 nochmals 1.130,50 EUR, mithin insgesamt 3.574,34 EUR, zu viel vollstreckt. Diesen Betrag verlangt er von der spätestens seit September 2019 eine Ausbildungsvergütung beziehenden Antragsgegnerin erstattet.
Die Antragsgegnerin ist diesem Ansinnen entgegengetreten.
Das Familiengericht hat den Antrag abgewiesen. Während die Antragsgegnerin nach Erreichen der Volljährigkeit aus einer von ihrer Mutter betriebenen Vollstreckung bereits nichts erlangt habe und an sie auch unstreitig kein beigetriebener Unterhalt ausgekehrt worden sei, stehe einem Rückforderungsanspruch des Antragstellers gegen die Antragsgegnerin für die Zeiten davor der erhobene Entreicherungseinwand entgegen. Denn das Geld sei von der Mutter der Antragsgegnerin für den täglichen Lebensbedarf, Strom und Kleidung der Antragsgegnerin verbraucht worden, ohne dass jedenfalls für die Zeit der Minderjährigkeit Umstände vorgetragen seien, aus denen eine verschärfte Haftung der Antragsgegnerin in Betracht komme. Unabhängig hiervon scheide ein Rückforderungsanspruch zudem bereits deshalb aus, weil die beiden o.g. einstweiligen Anordnungen mangels Beseitigung fortbestehen und daher weiterhin einen vorläufigen Rechtsgrund böten. Denn auch der erfolgreiche Vollstreckungsgegenantrag erfasse nicht den titulierten Anspruch als solchen.
Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens. Er ist der Ansicht, dass die Entscheidung des Amtsgerichts Montabaur in dem Verfahren zu Az. 16 F 41/20 den hier verfolgten Rückforderungsanspruch hinsichtlich der gegenüber dem Antragsteller durchgesetzten bzw. von der Antragsgegnerin vereinnahmten Beträge präjudiziere. Die Antragsgegnerin sei nach Vollendung ihres 18. Lebensjahres wiederholt aufgefordert worden, dafür Sorge zu tragen, dass zu Lasten des Antragstellers aus den einstweiligen Anordnungen nicht weiter gepfändet werde bzw. sie sei darum ersucht worden, dem Antragsteller die beigetriebenen Beträge zu erstatten. Daher habe sie rechtliche Schritte gegen ihre Mutter, die in den Titeln als Vertreterin ihrer Kinder ausgewiesen sei, unternehmen müssen. Das Familiengericht selbst habe in dem Verfahren zu Az. 16 F 41/20, in dem für die Antragsgegnerin vertreten durch ihre Mutter ein Anerkenntnis erfolgt sei, ausgeführt, dass es der Antragsgegnerin gemäß §§ 120 FamFG, 727 ZPO nicht unmöglich sei, die Vollstreckung aus den einstweiligen Anordnungen zu betreiben. Damit habe das Gericht gerade Anweisungen bzw. Empfehlungen gegeben, wegen der Rückzahlungen die Antragsgegnerin und nicht deren Mutter in Ansp...