Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufrechnung oder Verrechnung von Mängelbeseitigungskosten mit Vergütungsansprüchen; Ausschluss eines Vorbehaltsurteils
Leitsatz (amtlich)
1. Beruft sich der Besteller Vergütungsansprüchen aus einem Bauvertrag gegenüber auf Gegenansprüche wegen Mangelhaftigkeit des Werks, kann ungeachtet der Wortwahl statt einer Aufrechnung eine Verrechnung vorliegen.
2. Der Beurteilung einer Aufrechnung als Verrechnung ist nicht durch das Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen vom 30.3.2000 der Boden entzogen worden.
3. Die direkte oder analoge Anwendung von § 302 ZPO auf Fälle der Verrechnung kommt nicht in Betracht.
Normenkette
ZPO § 302; BGB § 387; VOB/B § 4 Nr. 7, § 13 Nr. 7
Verfahrensgang
LG Koblenz (Aktenzeichen 9 O 275/93) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten zu 1) wird das Urteil der 9. Zivilkammer des LG Koblenz vom 5.4.2001 im Umfang der Verurteilung der Beklagten zu 1) aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen.
Der Kostenausspruch bleibt bestehen, soweit der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) auferlegt wurden. Im Übrigen hat das LG über die Kosten des Rechtsstreits insgesamt, auch die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) im Berufungsverfahren, zu entscheiden.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Tatbestand
Die Klägerin macht einen Anspruch auf restliche Vergütung im Zusammenhang mit einem Vertrag über die Errichtung eines Wohnhauses geltend, dem gravierende Mangelhaftigkeit des Werks und falsche Berechnung von Mehr- und Minderkosten entgegengehalten werden.
Die zunächst auch gegen den Beklagten zu 2) gerichtete Klage hat das LG neben der Teilabweisung des Anspruchs gegen die Beklagte zu 1) abgewiesen. Die auch gegen die Abweisung der Klage gegen den Beklagten zu 2) eingelegte Berufung der Klägerin wurde zurückgenommen. Insoweit wurde die Klägerin des Rechtsmittels der Berufung für verlustig erklärt.
Grundlage der Vertragsbeziehung ist unstreitig der nicht unterzeichnete Bauvertrag mit dem Datum „1.4.1992” (Bl. 14 f. GA), der die VOB/B sowie die Beschreibung von Bau- und Leistungsumfang (Bl. 16 f. GA) und die Bauzeichnung vom 21.2.1992 (Anlage A 3 bis A6 des Gutachtens K. in der Beiakte 9 OH 42/93 AG Koblenz) zum Vertragsinhalt macht.
Der Bauvertrag sah die Errichtung eines Wohnhauses zum Pauschalpreis von 440.000 DM inkl. Mehrwertsteuer vor bei gestaffelter Fälligkeit des Kaufpreises. Nachdem erste Abschlagsrechnungen erstellt und bezahlt waren, erstellte die Klägerin weitere Abschlagsrechnungen vom 15.7.1992 (Bl. 26 GA), vom 10.11.1992 (Bl. 27 GA) und vom 13.11.1992 (Bl. 28 GA) sowie am 3.12.1992 eine Rechnung über Mehrkosten (Bl. 29 GA) gem. Mehr- und Minderkostenaufstellung vom 2.12.1992 (Bl. 30 f. GA). Die Schlussrechnung der Klägerin vom 22.4.1993 (Bl. 39 GA) lautet über einen offenen Restbetrag von 174.317,89 DM, umfasste neben den vorgenannten Rechnungen einen weiteren Betrag für Minderkosten über 6.447,83 DM gem. Mehr- und Minderkostenaufstellung (Bl. 204 GA). Zahlungen wurden i.H.v. 272.800 DM berücksichtigt.
Die Beklagten bewohnten seit August oder September 1992 das Haus; der Zeitpunkt des Einzugs ist streitig. Im Oktober 1992 beauftragte die Beklagte zu 1) den Sachverständigen B., im November 1992 den Sachverständigen O., die beide Mängel des Werks bescheinigten, die überwiegend von der Klägerin nicht anerkannt wurden.
Mit Schreiben vom 28.5.1993 kündigte die Klägerin das Vertragsverhältnis (Bl. 45 f.GA), weil die Beklagten die vorgesehenen Abschlagszahlungen nicht geleistet und jede Nachbesserung verweigert hätten.
In der Folgezeit wurde auf Veranlassung der Beklagten zu 1) ein Verfahren zur Beweissicherung beim AG Koblenz eingeleitet (Bl. 9 OH 42/93 AG Koblenz), in dessen Verlauf der Sachverständige K. ein umfassendes Gutachten im Hinblick auf behauptete Mängel erstattete. Die Klägerin erhob Klage über den offenen Betrag ihrer Schlussrechnung gegen beide Beklagte.
Sie hat vorgetragen:
Das Gewerk sei mangelfrei und ordnungsgemäß erstellt, wie im Einzelnen umfassend dargelegt wird. Lediglich ein Riss im Ankleidezimmer im Dachgeschoss werde als Mangel akzeptiert. Doch hätten die Beklagten insoweit wie auch insgesamt jegliche Sanierungsarbeiten abgelehnt. Wegen des Einzugs der Beklagten im August 1992 müsse das Gewerk gem. § 12 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B als abgenommen gelten. Es sei damals komplett fertig gestellt gewesen bis auf wenige Arbeiten, die absprachegemäß erst im Frühjahr 1993 hätten ausgeführt werden sollen. Eine weitere Zahlung seitens der Beklagten sei nicht substantiiert dargelegt und werde bestritten. Die Mehr- und Minderkosten, zu denen umfassend vorgetragen wird, seien zutreffend ermittelt.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 174.317,89 DM nebst 10 % Zinsen aus 44.000 DM für die Zeit vom 3.8.1992 bis zum 30.11.1992, aus 88.000 DM für die Zeit vom 1. bis zum 6.12.1992, aus 100.483,08 DM für die Zeit vom 7. bis zum 10.12.1992, a...