Leitsatz (amtlich)
Zur Verneinung einer arglistigen Täuschung bei unrichtigen Angaben über den Unfallhergang gegenüber einem im Übrigen vollständig über das Ausmaß des Unfallschadens aufgeklärten Käufer eines Gebrauchtfahrzeugs.
Normenkette
BGB § 123 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Trier (Urteil vom 08.02.2012; Aktenzeichen 2 O 80/11) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des LG Trier vom 8.2.2012 teilweise abgeändert.
Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Der Kläger verfolgt gegenüber der Beklagten die Rückabwicklung eines Kaufvertrages über ein Gebrauchtfahrzeug mit dem Vorwurf der arglistigen Täuschung über den konkreten Hergang eines - unstreitig unter Angabe des Reparaturaufwandes offengelegten - Unfallschadens.
Es wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
Das - im Betrieb der Beklagten wieder instandgesetzte und reparierte - Gebrauchtfahrzeug wurde dem Kläger am 22.4.2010 mit einem km-Stand von 79.500 übergeben; es wurde vom Kläger mit einem km-Stand von 106.706 außer Betrieb gesetzt. Die dem Vertragsabschluss vorausgegangenen Verhandlungen zwischen dem Kläger und dem Verkaufsmitarbeiter der Beklagten, dem Zeugen H., erstreckten sich über mehrere Tage; der Kläger führte eine Probefahrt durch und ihm wurde Einblick in die vollständige Kalkulation der Reparaturkosten gewährt.
Das LG hat nach Beweisaufnahme mit Urteil vom 8.2.2012 (Bl. 110 ff. GA) der Klage im Wesentlichen stattgegeben; hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten.
Die Beklagte rügt eine fehlerhafte Anwendung des materiellen Rechts; das LG habe zu Unrecht eine arglistige Täuschung durch den für sie, die Beklagte, handelnden Verkäufer angenommen. Aus den Zeugenaussagen gehe vielmehr hervor, dass der Verkäufer bei den Verkaufsverhandlungen den Unfallhergang ausdrücklich mitgeteilt habe; eine Bagatellisierung habe dabei nicht vorgelegen, da dem Kläger die Schadenshöhe bekannt gegeben und die diesbezügliche Auflistung (Einzelheiten und Kosten der Reparatur) mit ihm ausführlich besprochen worden sei. Nach allem sei die Beklagte ihrer Offenbarungs- und Auskunftsverpflichtung nachgekommen; ein Anfechtungstatbestand i.S.d. § 123 Abs. 1 BGB liege nicht vor. Der Kläger habe den Umfang und das Ausmaß des Unfallschadens vernünftigerweise nicht mehr übersehen können; der Unfallhergang im Übrigen sei im hier fraglichen Zusammenhang dann nicht mehr bedeutsam.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des LG Trier vom 8.2.2012 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen; - hilfsweise - die Revision zuzulassen.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil in prozessualer wie materieller Hinsicht. Der für die Beklagte handelnde Verkäufer habe über den Unfallhergang (tatsächlicher Anstoß an anderen Pkw) und auch die Höhe der Reparaturkosten (Bruttobetrag i.H.v. 8.382,19 EUR) - entgegen seinem positiven Wissen und trotz ausdrücklicher Nachfrage - falsche Angaben getätigt und damit arglistig getäuscht; ungeachtet der "jedes Schräubchen enthaltenen" Auflistung habe eine "tatsächliche Bagatellisierung" hinsichtlich des Schadensumfangs und des Schadenshergangs vorgelegen.
II. Die - zulässige - Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Kläger kann von der Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt die Rückabwicklung des - finanzierten - Gebrauchtwagenkaufs vom 16./19.4.2010 (Verbindliche Bestellung nebst Gebrauchtwagen-Verkaufsbedingungen Bl. 56 ff. GA) verlangen.
1. Die Voraussetzungen einer Anfechtbarkeit der auf den Abschluss des Kaufvertrages (Verbrauchsgüterkauf i.S.d. § 474 Abs. 1 Satz 1 BGB) gerichteten Willenserklärung des Klägers wegen arglistiger Täuschung i.S.d. §§ 123 Abs. 1 erste Alternative, 142 Abs. 1 BGB liegen nicht vor.
a) Ein Verkäufer handelt arglistig, wenn er einen Sachmangel mindestens für möglich hält und gleichzeitig weiß oder damit rechnet und es billigend in Kauf nimmt, dass sein Vertragspartner den Mangel nicht kennt und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte (vgl. BGH NJW 1995, 1549, 1550; 2003, 2380; Faust in Bamberger/Roth, BGB, 3. Aufl. 2012, § 438 Rz. 39). Nach der ständigen obergerichtlichen Rechtspre-chung handelt ein Verkäufer überdies bereits dann arglistig, wenn er zu Fragen, deren Beantwortung erkennbar maßgebliche Bedeutung für den Kaufentschluss des Kaufinteressenten hat, ohne hinreichende tatsächliche Erkenntnisgrundlagen ins Blaue hinein unrichtige Angaben macht (vgl. BGHZ 168, 64 ff. = NJW 2006, 2839 Tz. 13; OLG Frankfurt AIZ 2007, 72; OLG Koblenz, Urt. v. 22.10.2001 - 12 U 1663/99, NJW-RR 2002, 72; Senatsurteil vom 13.4.2011 - 1 U 1020/10). Wird der Verkäufer nach Unfällen oder sonstigen Mängeln gefragt, so muss die Antwort richtig und vollständig sein; Un-fallschäden, die dem Verkäufer bekannt sind oder mit deren Mö...