Entscheidungsstichwort (Thema)
Sorgfaltspflichten eines Krankenhauses ggü. einem auf Gehhilfen angewiesenen Patienten
Leitsatz (amtlich)
1. Ist ein Patient nach einer Unfallverletzung auf Unterarm- gehhilfen angewiesen, muss das Krankenhaus sich vergewissern, dass er deren Benutzung beherrscht. Erforderlichenfalls ist der Patient, insb. hinsichtlich der Benutzung der Gehstützen auf Treppen, sachkundig zu schulen.
2. Eine Haftung des Krankenhauses wegen eines Versäumnisses in diesem Bereich kommt nur in Betracht, wenn es bei pflichtgemäßem Handeln nicht zu dem Schaden gekommen wäre.
Verfahrensgang
LG Trier (Urteil vom 11.02.2003; Aktenzeichen 11 O 305/01) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Einzelrichters der 11. Zivilkammer des LG Trier vom 11.2.2003 wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die 1951 geborene Klägerin nimmt das beklagte Krankenhaus und den dort als Chirurg tätigen Arzt Dr. B. auf Schadensersatz in Anspruch. Hierbei stützt sie sich auf ein vorprozessuales Privatgutachten des Chirurgen Dr. L. (Bl. 8–27 GA).
Nachdem die Klägerin am 4.3.2000 einen Bruch des linken Sprunggelenks erlitten hatte, wurde sie am 5.3.2000 stationär im Krankenhaus aufgenommen und dort von dem beklagten Arzt am 9.3.2000 erstmals operiert. Noch auf Unterarmgehhilfen angewiesen rutschte sie im Krankenhaus am 17.3.2000 mit der linken Krücke ab, belastete den operierten Fuß, was zu einer Retraumatisierung der Frakturstelle führte. Am 20.3.2000 musste daher eine zweite Operation durchgeführt werden.
Die Klägerin hat vorgetragen, bei der ersten Operation sei die Frakturverletzung nicht entspr. den Regeln der ärztlichen Kunst versorgt worden. Auch darauf beruhe die Verletzung vom 17.3.2000, die i.Ü. auf eine unzureichende Unterweisung im Gebrauch der Unterarmgehhilfen zurückzuführen sei. Man habe ihr weiterhin einen Rollstuhl zur Verfügung stellen müssen.
Die Beklagten haben erwidert, die Operation vom 9.3.2000 und die postoperative Versorgung und Betreuung seien nicht zu beanstanden.
Das LG hat ein Sachverständigengutachten des Unfallchirurgen Prof. Dr. B. eingeholt (Bl. 108–119 GA) und die Klage hiernach abgewiesen. Der Antrag der Klägerin auf Anhörung des Sachverständigen sei verspätet, zumal das Gericht dessen schriftliche Ausführungen nicht für ergänzungsbedürftig halte.
Mit der Berufung rügt die Klägerin unzureichende Sachaufklärung. Schon die Beweisanordnung des LG sei unvollständig und ungenau gewesen. Den Prozessvortrag zur fehlerhaften operativen Nachsorge habe das LG übergangen. Dem gerichtlichen Sachverständigen seien entscheidungserhebliche Röntgenaufnahmen vorenthalten worden. Verfahrensfehlerhaft sei der Antrag auf Anhörung des Sachverständigen als verspätet behandelt worden.
Die Beklagten wiederholen, die Operation vom 9.3.2000 sei sachgemäß durchgeführt worden. Mit dem Gebrauch der Unterarmgehhilfen sei die Klägerin vertraut gewesen. Schon zur Erstuntersuchung im Krankenhaus sei sie auf Krücken erschienen. Deren Gebrauch sei ihr ab 5.3.2000 erläutert wurden. Vor dem Unfall vom 17.3.2000 habe ein Krankengymnast mit der Klägerin sogar das Treppengehen mit Unterarmgehhilfen geübt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Der Senat hat weitere Krankenunterlagen, insb. Röntgenbilder, beigezogen, ein neues Sachverständigengutachten des Orthopäden Dr. F. eingeholt und diesen Arzt in der mündlichen Verhandlung ergänzend befragt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 17.12.2003 (Bl. 220–266 GA) und die Sitzungsniederschrift vom 29.1.2004 verwiesen. Die Krankenakten der Klägerin nebst Röntgenbildern waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
II. Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das LG hat die Klage i.E. zu Recht abgewiesen. Ein Schadensersatzanspruch wegen ärztlicher Fehlbehandlung oder sonstiger Versäumnisse steht der Klägerin weder auf vertraglicher noch auf deliktischer Grundlage zu.
Allerdings rügt die Berufung zu Recht das Verfahren des LG. Der Antrag auf Ladung des Sachverständigen durfte nicht als verspätet zurückgewiesen werden. Die Erwägung des Einzelrichters, er halte das schriftliche Gutachten für überzeugend und sehe daher keinen Erläuterungsbedarf, ist ebenfalls nicht tragfähig (vgl. BGH v. 29.10.2002 – VI ZR 353/01, MDR 2003, 168 [169] = BGHReport 2003, 256 = NJW-RR 2003, 208 [209] = VersR 2003, 926 [927] m.w.N.).
Die Rügen bedürfen jedoch keiner weiteren Erörterung, weil der Senat in Ergänzung des unfallchirurgischen Sachverständigengutachtens erster Instanz nach Beiziehung weiterer Krankenunterlagen das Gutachten eines Orthopäden eingeholt hat. Dem Antrag der Klägerin entspr. ist dieser Arzt in der mündlichen Verhandlung des Berufungsverfahrens ergänzend befragt worden. Damit sind alle Mängel des landgerichtlichen Verfahrens geheilt.
Der Sachverständ...