Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Haftung der Versicherung bei Entwendung eines Fahrzeugs mit laufendem Motor außerhalb des Blickfeldes des Fahrers
Verfahrensgang
LG Koblenz (Urteil vom 08.04.2003; Aktenzeichen 1 O 369/02) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des LG Koblenz vom 8.4.2003 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die Berufung ist nicht begründet.
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte aus Teilkaskoversicherung wegen Diebstahls ihres Pkws in Anspruch.
Der Ehemann der Klägerin fuhr mit dem Pkw Mercedes Sprinter-312 td (Kleintransporter) am 15.12.2001 in seine Heimatstadt nach Prokuplje in Jugoslawien. Für den Zeitraum vom 15.12.2001 bis 15.1.2002 schloss die Klägerin als Versicherungsnehmerin eine Auslandsversicherung ab.
Die Klägerin hat vorgetragen, sie habe aufgrund ehelicher Probleme mit ihrem Ehemann vereinbart, dass dieser mit dem Fahrzeug nach Jugoslawien fahre und dort eine längere Zeit verbleibe. Am 14.1.2002 sei das Fahrzeug in Belgrad gestohlen worden. In ihrer Strafanzeige ggü. der Polizeiinspektion L. (GA 27) hat sie angegeben, ihr Ehemann habe den Pkw gegen 8.15 Uhr in der Nähe eines Parkplatzes abgestellt, um an einem Automaten einen Parkschein zu ziehen. Dabei habe er sein Fahrzeug offen und den Motor laufen lassen. Der Schlüssel sei im Zündschloss gewesen. Er habe sein Fahrzeug nicht im Blickfeld gehabt. Nachdem er den Schein gezogen habe, habe er das Fehlen des Fahrzeugs festgestellt. Die Klägerin trägt weiter vor, dass sie Eigentümerin des Fahrzeugs gewesen sei. Das Fahrzeug sei für sie durch ihren Ehemann erworben worden. Das Fahrzeug habe einen Wert von 15.650 Euro gehabt, als es entwendet worden sei.
Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie 15.496,61 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gem. § 1 DÜG seit dem 8.2.2002 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Er hat den Diebstahl des Pkws und die Eigentümerstellung der Klägerin bestritten und sich auf Leistungsfreiheit berufen. Der Ehemann, der tatsächlich Eigentümer des Fahrzeugs gewesen sei und dieses ausschließlich genutzt habe, habe grob fahrlässig den Versicherungsfall herbeigeführt. Die Klägerin müsse sich das Verhalten ihres Ehemanns unter dem Gesichtspunkt der Repräsentantenhaftung zurechnen lassen.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Es hat offen gelassen, wer Eigentümer des Fahrzeugs gewesen und ob es überhaupt zu einem Diebstahl gekommen sei. Der Beklagte sei jedenfalls nach § 61 VVG leistungsfrei, da der vermeintliche Diebstahl zumindest grob fahrlässig herbeigeführt worden und der Ehemann Repräsentant der Klägerin gewesen sei.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihren erstinstanzlichen Antrag weiterverfolgt.
II. Die Berufung hat keinen Erfolg.
Das LG hat zu Recht die Klage abgewiesen. Es mag dahinstehen, ob die Klägerin das äußere Bild eines Diebstahls mit hinreichender Wahrscheinlichkeit dargelegt hat. Den Vortrag der Klägerin zum Geschehensablauf als wahr unterstellt, ist der Beklagte jedenfalls gem. § 61 VVG leistungsfrei geworden, da der Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt ist. Die Klägerin muss sich das Verhalten ihres Ehemanns zurechnen lassen.
Der Senat stimmt mit dem LG darin überein, dass das Verhalten des Ehemanns sich als grob fahrlässiges Fehlverhalten darstellt. Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße außer Acht lässt und nicht das beachtet, was unter den gegebenen Umständen jedem hätte einleuchten müssen (BGH BGHZ 10, 14 [16] = VersR 53, 335; v. 16.2.1984 - I ZR 197/81, MDR 1984, 909 = VersR 1984, 551 [552]; VersR 1988, 1147; Prölss/Martin, VVG Kommentar, 1998, § 6 Rz. 117). Es muss sich auch subjektiv um ein unentschuldbares Fehlverhalten handeln, das sich ggü. der einfachen Fahrlässigkeit als gesteigertes Verschulden darstellt (BGH ZfS 1986, 376; v. 8.7.1992 - IV ZR 223/91, MDR 1992, 945 = NJW 1992, 2418).
Wer sein Fahrzeug unverschlossen und mit laufendem Motor mit eingestecktem Zündschlüssel in einer europäischen Großstadt abstellt und unbeaufsichtigt zurücklässt, sich ca. 100 m entfernt, dabei sogar um eine Ecke geht, ohne das Fahrzeug derart im Blickfeld zu haben, dass er eine Einwirkung Dritter auf das Fahrzeug zumindest hätte wahrnehmen können, verletzt die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße. Dieses Verhalten stellt - wie das LG zutreffend ausführt - geradezu eine Einladung für potentielle Diebe dar, das Fahrzeug zu entwenden.
Das LG hat das schwere Fehlverhalten des Ehemanns der Klägerin als Versicherungsnehmerin nach den Grundsätzen der Repräsentantenhaftung zugerechnet. Es hat dies damit begründet, dass das Fahrzeug dem Ehemann für längere, sogar unbestimmte Zeit überlassen worden und damit vollständig aus der Obhut der Klägerin entlassen worden sei. Ihm habe es oblegen, das Fahrzeug zu warten und...