Leitsatz (amtlich)
Täuschung über Pflegebedürftigkeit Grund für fristlose Kündigung der gesetzlichen Krankenversicherung insgesamt. Zum Nachweis der Leistungserschleichung - "Pseudodemenz" als Täuschungsverhalten in Abgrenzung zur subjektiven Krankheitsvorstellung. Zur Verjährung von Leistungsansprüchen aus der privaten Krankenversicherung.
Verfahrensgang
LG Koblenz (Urteil vom 12.04.2007; Aktenzeichen 16 O 285/04) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 16. Zivilkammer des LG Koblenz vom 12.4.2007 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Parteien streiten um den Bestand einer Kranken- und Pflegeversicherung.
Der Kläger schloss mit dem Beklagten 1975 einen privaten Krankenversicherungsvertrag und im Jahre 1995 einen privaten Pflegeversicherungsvertrag. Der am 6.9.1944 geborene Kläger erlitt am 23.1.1984 einen Dienstunfall, in dessen Folge er nach Begutachtung durch die Ärzte Prof. Dr. A., Dr. B. und Prof. Dr. C. vom 7.6.1995 (Bl. 17-33 d.A.), vom 4.3.1995 (Bl. 34-36 d.A.) und vom 20.3.1995 (Bl. 37-38 d.A.) im Jahre 1995 als dienst-, arbeits- und erwerbsunfähig wegen eines depressiven Syndroms und einer Pseudodemenz als Ausdruck einer chronisch verlaufenden abnormen Entwicklung eingestuft wurde.
Aufgrund eines Antrags von April 1999 erbrachte der Beklagte für den Kläger zunächst Leistungen aus der Pflegeversicherung nach Pflegestufe I. Nachdem der Kläger am 3.11.1999 die Höherstufung in Pflegestufe II beantragt hatte, ließ der Beklagte den Kläger ärztlich untersuchen. Die von dem Beklagten beauftragte Gutachterin D. kam in ihrem Gutachten vom 9.3.2000 (Bl. 108-111 d.A.) zu dem Ergebnis, dass bei dem Kläger eine Pflegebedürftigkeit entsprechend der Pflegestufe III vorliege. Aufgrund Zweifeln an den Feststellungen dieser Gutachterin ließ der Beklagte den Kläger durch Dr. E. erneut begutachten. Dieser kam in seinem Gutachten vom 17.4.2000 (Bl. 112-116 d.A.) zu einer Pflegebedürftigkeit des Klägers nach Pflegestufe I. Aufgrund des Widerspruchs des Klägers hiergegen erfolgte eine erneute Begutachtung im Auftrag des Beklagten durch Dr. F., der in seinem Gutachten vom 16.6.2000 (Bl. 120-129 d.A.) zu einer Einordnung des Klägers in die Pflegestufe II gelangte, wobei er darauf hinwies, dass der früher gutachterlich geäußerte Verdacht der erheblichen Aggravation zukünftig wohl kaum mehr klärbar sei. Daraufhin gruppierte der Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 3.7.2000 (Bl. 39-40 d.A.) in die Pflegestufe II ein und erbrachte entsprechende Versicherungsleistungen.
Der Beklagte erhielt sodann im Sommer 2001 Mitteilungen von Mitarbeitern, dass der Kläger eine Pflegebedürftigkeit nur vortäusche. Daraufhin ließ der Beklagte den Kläger im September 2001 erneut durch Dr. F. begutachten, der nun zu dem Ergebnis gelangte, dass eine Pflegebedürftigkeit des Klägers bisher vorgetäuscht worden sei und ein Pflegebedarf nicht vorliege. Daraufhin erklärte der Beklagte mit Schreiben vom 8.10.2001 (Bl. 15-16 d.A.) die fristlose Kündigung sowohl des Krankenversicherungsvertrages als auch des Pflegeversicherungsvertrages wegen Vortäuschung der Pflegebedürftigkeit und erklärte zudem die Anfechtung der erteilten Leistungszusagen wegen arglistiger Täuschung.
Der Kläger begehrt nunmehr die Feststellung des Fortbestehens beider Versicherungsverträge sowie Zahlung von Versicherungsleistungen (Pflegezuschuss i.H.v. monatlich 122,71 EUR für den Zeitraum November 2001 bis November 2004 sowie Arzneikosten und ambulante Behandlungskosten abzgl. der geschuldeten Versicherungsprämien, mit denen der Kläger aufgerechnet hat, vgl. im Einzelnen Bl. 7-9, 176 d.A.).
Der Kläger hat vorgetragen, er sei aufgrund des Unfalls vom 23.1.1984 dauerhaft erkrankt und pflegebedürftig. Seit November 2001 sei er mindestens in Pflegestufe II einzugruppieren, wie sich dies sowohl aus einer Begutachtung des Arztes Dr. G. vom 8.9.2002 (Bl. 41-50 d.A.) als auch einer Untersuchung vom Frühjahr 2003 (Bl. 51 d.A.) durch die ärztliche Dienststelle der Verwaltungsdirektion der sozialen Eingliederung in Belgien, dem Wohnsitz des Klägers, ergebe.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, dass die für den Kläger bei dem Beklagten bestehende Krankenversicherung, Service-Nr.: 1010720.2 und Pflegeversicherung, Service-Nr.: 1010720.2 weder durch die Kündigungserklärung des Beklagten mit Schreiben vom 8.10.2001 noch durch etwaige andere Erklärungen beendet sind, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbestehen,
2. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 8.419,77 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 13.1.2005 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, die fristlose Kündigung sei gerechtfertigt und erfasse auch das Krankenversicherungsvertragsverhältnis, da das Vertrauensverhältnis zum Kläger insgesamt so nachhaltig zerstört sei, dass dem Beklagten eine Fortführun...