Entscheidungsstichwort (Thema)
Gehirnblutung/Marcumar
Leitsatz (amtlich)
Abgrenzung der überwiegenden Wahrscheinlichkeit für Gehirnblutung bei Blutverdünnung durch Marcumar.
Maßgeblich ist nicht allein die Auslösung einer Gefäßruptur für den Blutungsbeginn, sondern die Gewichtung der Ursachen für die konkrete Gehirnblutung insgesamt.
Erforderlichkeit der Marcumarbehandlung als Krankheit oder Gebrechen i.S.v. § 8 AUB 94.
Normenkette
AUB 94 § 2 Nr. III, § 8
Verfahrensgang
LG Trier (Urteil vom 14.07.2005; Aktenzeichen 6 O 190/03) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des LG Trier vom 14.7.2005 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch eine Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aufgrund des Urteils gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung eine Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt von den Beklagten Leistungen aus einem Versicherungsvertrag.
Die Klägerin unterhält bei den Beklagten eine private Unfallversicherung, wobei als Invaliditätssumme ein Betrag von 300.000 DM mit Progressionsregelung vereinbart wurde.
Am frühen Morgen des 20.8.2001 stürzte die Klägerin in der Küche ihrer Wohnung, wobei sie zunächst mit der vorderen linken Kopfseite auf eine Kante der Anrichte aufschlug und sodann mit dem Hinterkopf auf den Boden fiel. Zur damaligen Zeit wurde die Klägerin mit dem blutgerinnungshemmenden Medikament Marcumar behandelt. Das Mittel war jedoch am 17.8.2001 abgesetzt worden, nachdem eine ärztliche Kontrolle einen sog. "Quickwert" von nur 9 % ergeben hatte.
Die Klägerin wurde zunächst von ihrem Ehemann und einem Gast in ihr Bett gebracht. Am Nachmittag des 20.8.2001 wurde die Klägerin in das Krankenhaus eingeliefert, wo eine raumfordernde Gehirnblutung festgestellt und operiert wurde.
Die Klägerin nimmt die Beklagte, die vorprozessual eine Zahlung abgelehnt hatte, auf die Invaliditätsentschädigung in Anspruch.
Die Klägerin hat vorgetragen:
Die Klägerin könne sich nicht auf den Ausschlusstatbestand des § 2 III (2) der Versicherungsbedingungen (AUB 94, Bl. 34 d.A.) berufen. Denn dadurch, dass das Präparat Marcumar abgesetzt worden sei, sei der "Quickwert" zum Unfallzeitpunkt schon so sehr erhöht gewesen, dass das Auftreten spontaner Massenblutungen unwahrscheinlich gewesen sei. Die Gerinnungsstörung könne daher allenfalls eine untergeordnete Rolle gespielt haben. Die Beklagten könnten sich auch nicht auf eine Vorinvalidität aufgrund eines im Jahre 2000 erlittenen Schlaganfalls berufen, da sie sich vor dem Unfall hiervon weitgehend erholt habe. Nach alledem müsse von einer Invalidität von mindestens 90 % ausgegangen werden, so dass ihr bedingungsgemäß ein Anspruch auf die doppelte Invaliditätssumme i.H.v. 600.000 DM (= 306.775,12 EUR) zustehe.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie, die Klägerin 306.775,12 EUR nebst Zinsen in Höhne von 5 % über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB hieraus seit dem 30.11.2002 zu zahlen.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie haben vorgetragen:
Der Versicherungsschutz sei nach § 2 III (2) der Versicherungsbedingungen ausgeschlossen. Es treffe nicht zu, dass das Unfallereignis die überwiegende Ursache für die Gehirnblutung gewesen sei. Die Behandlung mit Marcumar habe zu erheblichen Blutgerinnungsstörungen geführt. Darüber hinaus bestehe bei der Klägerin aufgrund eines im Jahr 2000 erlittenen Schlaganfalls eine Vorinvalidität von 50 %.
Das LG hat nach Beweisaufnahme die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie der Begründung der landgerichtlichen Entscheidung wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf das landgerichtliche Urteil verwiesen, wegen der Beweisergebnisse zudem auf die Sitzungsniederschrift Bl. 151 ff. d.A. sowie die Sachverständigengutachten Prof. Dr. S Bl. 115 ff. und 171 ff. d.A.
Die Klägerin macht geltend:
Das LG habe die Systematik der Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen missverstanden, insbesondere die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für einen Risikoausschluss nach § 2 Ziff. 3 Abs. 2 A-AUB 94-GUV. Es habe weiterhin verkannt, dass nicht die Klägerin, sondern die Beklagten die Beweislast für den sekundären Leistungsausschluss nach dieser Bestimmung trügen. § 2 Ziff. 3 Abs. 2 AUB setze schon begrifflich voraus, dass neben dem Unfallereignis auch eine innere Krankheit oder ein Gebrechen bei dem Entstehen der Gehirnblutung ursächlich geworden seien. Es müsse also eine bestimmte Disponiertheit des Versicherten zu Gehirnblutungen bestehen. Dies sei bei der Klägerin nicht der Fall gewesen. Der bei ihr im Unfallzeitpunkt vorliegende "Quickwert" von 27 % habe nicht zu einer spontanen Einblutung führen kö...