Leitsatz (amtlich)
Der in der Ehe nicht erwerbstätige Ehegatte kann nach der Trennung zumindest für eine geraume Zeit den bisherigen Status beibehalten. Deshalb kann man im Regelfall vor Ablauf des Trennungsjahres vom haushaltsführenden Ehegatten noch keine Aufnahme einer Erwerbstätigkeit erwarten. Dies gilt jedenfalls nach 10-jähriger Ehe auch dann, wenn der pflegebedürftige Ehemann die Frau nur geheiratet hatte, um von dieser versorgt zu werden.
Auch in der Trennungszeit ist der Vorteil mietfreien Wohnens mit dem objektiven Mietwert zu bemessen, wenn der in der Wohnung verbliebene Ehegatte einen neuen Lebensgefährten aufnimmt und hierdurch das durch den Auszug des anderen Ehegatten entstandene „tote” Kapital wieder einer Nutzung zuführt.
Im Anschluss an die Entscheidung des BVerfG vom 25.6.2002 (BVerfG v. 25.6.2002 – 1 BvR 2144/01, NJW 2002, 2701) billigt der Senat dem unterhaltspflichtigen Ehegatten (sofern der andere Ehegatte keine ebenfalls unterhaltsberechtigten minderjährigen Kinder betreut) auch im Rahmen des Trennungsunterhalts einen „billigen” Selbstbehalt analog § 1581 BGB zu. Dieser beläuft sich nach der Rspr. des Senates auf den Mittelbetrag zwischen angemessenem und notwendigem Selbstbehalt eines Erwerbstätigen.
Eine entspr. Anwendung des § 1573 Abs. 5 BGB (zeitliche Begrenzung des Unterhalts) auf den Trennungsunterhalt kommt nicht in Betracht, weil dieser bereits von Natur aus bis zur Rechtskraft der Scheidung begrenzt ist.
Verfahrensgang
AG Bingen am Rhein (Aktenzeichen 8 F 391/01) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin wird das Urteil des AG – FamG – Bingen am Rhein vom 12.11.2001 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin monatlich im Voraus, fällig am 1. eines jeden Monats, Trennungsunterhalt nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus dem in jedem Monat entstandenen und noch entstehenden Rückstand wie folgt zu zahlen:
- 927 Euro von Juli 2001 bis Oktober 2001,
- 780 Euro von November 2001 bis Juni 2002,
- 619 Euro ab Juli 2002,
bis einschließlich November 2002 abzüglich monatlich gezahlter 357,90 Euro.
Die weiter gehende Klage wird abgewiesen.
Im Übrigen werden die Berufung und die Anschlussberufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz werden zu 64 % dem Beklagten und zu 36 % der Klägerin auferlegt. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen zu 57 % dem Beklagten und zu 43 % der Klägerin zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Berufung und Anschlussberufung sind jeweils teilweise begründet. Der Beklagte schuldet der Klägerin für die Zeit von Juli bis Oktober 2001 weiter gehenden und ab November 2001 geringeren Trennungsunterhalt als vom FamG ausgeurteilt. Aufgrund der Rückübertragung der teilweise auf den Sozialhilfeträger übergegangenen Ansprüche (Bl. 183 f. d.A.) gem. § 91 Abs. 4 S. 1 BSHG ist die Klägerin für die Geltendmachung dieses Unterhalts in vollem Umfang aktivlegitimiert.
Gemäß § 1361 Abs. 1 BGB kann, wenn die Ehegatten getrennt leben, ein Ehegatte von dem anderen den nach den Lebensverhältnissen und den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt verlangen. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung kann der nicht erwerbstätige Ehegatte nur dann darauf verwiesen werden, seinen Unterhalt durch eine Erwerbstätigkeit selbst zu verdienen, wenn dies von ihm nach seinen persönlichen Verhältnissen, insb. wegen einer früheren Erwerbstätigkeit unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe, und nach den wirtschaftlichen Verhältnissen beider Ehegatten erwartet werden kann. Hiernach war die Klägerin im ersten Jahr der Trennung nicht gehalten, ihren Unterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit zu sichern, während sie ab Juli 2002 die Obliegenheit trifft, für den eheangemessenen Unterhalt, soweit ihr dies möglich ist, selbst zu sorgen.
Auch wenn die Klägerin während des ehelichen Zusammenlebens den Beklagten vereinbarungsgemäß versorgt und betreut hat, ist sie entgegen dessen Ansicht nicht so zu behandeln, als wenn sie außer Haus erwerbstätig gewesen wäre. Das vom Beklagten gezeichnete Bild entspricht der herkömmlichen Gestaltung der sog. Hausfrauenehe. § 1361 Abs. 2 BGB dient gerade dem Schutz des bisher haushaltsführenden Ehegatten vor einer vorzeitigen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit. Sein bisheriger Status in der vereinbarten Haushaltsführungsehe soll auf Grund der Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft infolge der Trennung zumindest für eine Klärungszeit nicht nachhaltig verändert werden. Solange noch offen ist, ob die ehelichen Schwierigkeiten zum endgültigen Scheitern der Ehe führen, sind einem Ehegatten solche Änderungen seiner Lebensstellung nicht zuzumuten, die sich im Falle einer möglichen Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft als nachteilig herausstellen würden. Es muss zumindest für eine geraume Zeit der bisherige Status des unterhaltsberechtigten Ehegatten beibehalten werden, schon um nicht das endgültige Scheitern der Ehe zu fördern, indem die Scheid...