Entscheidungsstichwort (Thema)
Wettbewerbsverstöße beim Vertrieb von Bildträgern - DVD - (Jugendschutz)
Normenkette
UWG §§ 3, 4 Nr. 11, § 8; EGV Art. 28, 30; JuSchG § 12
Verfahrensgang
LG Koblenz (Urteil vom 08.06.2004; Aktenzeichen 1 HK.O 64/04) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Verfügungsklägerin wird das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des LG Koblenz vom 8.6.2004 dahin gehend abgeändert, dass der Beschluss vom 20.4.2004 mit der Maßgabe aufrechterhalten wird, dass in dessen Ziff. I. das Wort "Trägermedien" durch das Wort "Bildträger" ersetzt wird.
2. Die weiteren Kosten des Rechtsstreits hat die Verfügungsbeklagte zu tragen.
Gründe
I. Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Gebiet des Vertriebs von Produkten aus dem Bereich der japanischen Comics. Die Verfügungsklägerin vertreibt Bild- und Tonträger unter der Geschäftsbeziehung "A.". Die Verfügungsbeklagte bietet über ihre Homepage www.a.com. und die Plattform des Internethändlers amazon.de Videos und DVDs an. Eine Kontrolle des Alters des Kunden erfolgt dabei nicht. Im Februar 2004 hatte die Verfügungsbeklagte u.a. die DVD "L." im Angebot, die über keine Alterskennzeichnung der Freiwilligen Selbstkontrolle für Filmwirtschaft (FSK) verfügt. Es handelt sich um ein britisches Produkt, das mit der in Großbritannien vorgeschriebenen Alterskennzeichnung der dort für die Klassifizierung zuständigen Stelle, des British Board of Film Classification (BBFC), versehen ist, wonach die DVD ab 15 Jahren freigegeben ist.
Die Verfügungsklägerin erwirkte beim LG Koblenz eine einstweilige Verfügung vom 20.4.2004, mit der es der Verfügungsbeklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln untersagt wurde, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Versandhandel Trägermedien anzubieten, zu versenden und/oder zu überlassen, die über keine FSK-Kennzeichnung verfügen bzw. mit dem Hinweis "keine Jugendfreigabe" i.S.d. § 14 Abs. 2 Nr. 5 JuSchG oder vor In-Kraft-Treten dieses Gesetzes mit dem Hinweis "nicht freigegeben unter 18 Jahren" i.S.d. damals gültigen § 7 Abs. 3 des Gesetzes zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit gekennzeichnet sind.
Diese einstweilige Verfügung hat das LG Koblenz durch Urteil vom 8.6.2004 aufgehoben und den Antrag auf deren Erlass mangels Verfügungsanspruchs zurückgewiesen. Ein Verstoß der Verfügungsbeklagten gegen Vorschriften des Jugendschutzgesetzes liege nicht vor, weshalb eine Anwendung des § 1 UWG ausgeschlossen sei. Da sowohl die Bundesrepublik Deutschland als auch Großbritannien die UN-Übereinkunft über die Rechte des Kindes vom 20.11.1989 anerkannt hätten, sei gewährleistet, dass die britische Alterskennzeichnung als vergleichbar mit einer deutschen FSK-Kennzeichnung eingestuft werden könne. Auch dürfe Art. 28 EGV nicht unberücksichtigt bleiben.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Verfügungsklägerin, mit der sie ihren Antrag weiterverfolgt.
Die Verfügungsklägerin trägt ergänzend im Wesentlichen vor: Die UN-Konvention habe keinen Bezug zum vorliegenden Rechtsstreit (GA Bl. 113/114). Die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft hätten äußerst unterschiedliche Systeme und Vorgaben in Bezug auf die Prüfung von Spielfilmen auf ihre Geeignetheit für Kinder und Jugendliche. Wäre die Entscheidung des LG richtig, könnten die Hersteller von Filmen diese in bekanntermaßen liberal einstufenden Mitgliedstaaten zur Prüfung vorlegen und nach entsprechender Freigabe europaweit vertreiben, unabhängig von - strengeren - Regelungen in anderen Mitgliedstaaten. Art. 28 EGV sei nicht einschlägig, da es sich bei der Bestimmung des § 12 Abs. 3 JuSchG um eine Regelung handele, die nicht die Merkmale der Ware selbst, sondern die Modalitäten von deren Verkauf betreffe. Die Verfügungsbeklagte genieße nicht den Schutz der Warenverkehrsfreiheit für ihre geschäftlichen Aktivitäten. Sie habe sich im Übrigen bei der gewählten Vertriebsform den Anforderungen der Fernabsatzrichtlinie 1997/7/EG und der e-commerce-Richtlinie 2000/31/EG zu unterwerfen. Selbst wenn man eine Einschränkung der Warenverkehrsfreiheit bejahen würde, wäre diese gem. Art. 30 EGV gerechtfertigt, da der Jugendschutz als Allgemeininteresse den Erfordernissen des freien Warenverkehrs vorgehe. Soweit der Senat auf der Basis europarechtlicher Vorschriften zu entscheiden gedenke, sei eine Vorlage an den EuGH unerlässlich (GA Bl. 120/121).
Die Verfügungsklägerin beantragt, das Urteil des LG Koblenz abzuändern und die Beschlussverfügung vom 20.4.2004 zu bestätigen.
Die Verfügungsbeklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt ergänzend im Wesentlichen vor:
Die Vorschrift des § 12 Abs. 3 JugSchG, bei der es sich um eine verbotene Maßnahme gleicher Wirkung und damit um ein Handelshemmnis handele, sei im Lichte von Art. 28 EGV dahin gehend europarechtskonform auszulegen, als der Versand von DVD-Bildträgern ohne Alterskennzeichznung der FSK jedenfalls dann zulässig sei, wenn sie die Alterskennzeichnung eines EU-Mitgliedstaates aufwiesen, der - wie Großbritannien - über ein funktionierend...