Leitsatz (amtlich)
1. Die Verjährung eines Schadensersatzanspruchs aus § 826 BGB im Zusammenhang mit dem sogenannten Dieselskandal beginnt in Fällen, in denen die Forderung auf die Manipulation des Motors EA 189 gestützt wird und sich gegen die Herstellerin des Motors richtet, kenntnisunabhängig mit Ablauf des Jahres 2015 zu laufen, wenn die Herstellerin des Motors zugleich die Herstellerin des erworbenen Fahrzeugs ist. Denn aufgrund des öffentlichen Bekanntwerdens des Abgas-Skandals bestand Veranlassung und auch die Möglichkeit, über einfach zugängliche Wege in Erfahrung zu bringen, ob der jeweilige Pkw vom Abgasskandal betroffen ist. Soweit potentielle Käufer sich trotz der sich regelrecht aufdrängenden Umstände nicht weiter informiert haben, ist ihnen grob fahrlässige Unkenntnis von Anspruch und Schädiger i.S.d. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB vorzuwerfen.
2. Ab dem Zeitpunkt der Offenlegung der Manipulationsproblematik durch die Herstellerin kann nicht mehr davon ausgegangen werden, dass deren Handeln nach seinem Gesamtcharakter (noch) verwerflich war. Ziel und Erfolg der Herstellerin war es ab diesem Zeitpunkt nicht mehr, weiterhin Gewinn aus einer im Verborgenen liegenden Manipulation zu schöpfen, weshalb in diesen Fällen auch ein Schädigungsvorsatz der Herstellerin im maßgebenden Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses ausscheidet (Festhaltung an Senat, Urt. vom 25. Oktober 2019 - 3 U 948/19, juris, BeckRS 2019, 31003; entgegen: OLG Hamm, Urt. v. 10. September 2019 - 13 U 149/18 -, juris, insbesondere Rn. 64 ff. = BeckRS 2019, 20495; OLG Koblenz, 8. Zivilsenat, Urt. v. 3. April 2020 - 8 U 1956/19, juris Rn. 51 ff. = BeckRS 2020, 5086).
Normenkette
BGB § 199 Abs. 1 Nr. 2, § 826
Verfahrensgang
LG Trier (Urteil vom 16.08.2019; Aktenzeichen 5 O 729/18) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Trier - Einzelrichterin - vom 16.08.2019, Az.: 5 O 729/18, wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird zugelassen.
V. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 18.637,92 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger begehrt von der Beklagten im Zusammenhang mit dem sog. Diesel-Abgasskandal Zahlung von Schadensersatz wegen Leasing und Kauf eines betroffenen Neufahrzeugs.
Am 07.09.2015 schloss der Kläger bei der ... Leasing einen Leasingvertrag über einen neuen VW Caddy Kasten (Van) ab. Die monatlichen Leasingraten betrugen 280,31 EUR. Im Juni 2017 kaufte er das Fahrzeug zum Preis von 11.069,55 EUR. Für diesen Fahrzeugtyp wurde die Typengenehmigung nach der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 mit der Schadstoffklasse Euro 5 erteilt. Der Pkw ist mit einem Dieselmotor Typ EA 189 ausgestattet, der von der Beklagten hergestellt und in Pkws des VW-Konzerns eingesetzt wurde. Bei diesem Motortyp ist eine Software eingebaut, welche auf dem Prüfstand vom regulären Abgasrückführungsmodus 0 in den stickoxid-optimierten Modus 1 wechselt. Es ergeben sich dadurch auf dem Prüfstand geringere Stickoxid-Emissionswerte als im normalen Fahrbetrieb. Für die Erteilung der Typengenehmigung war der Stickoxidausstoß im Prüfstand maßgebend.
Ab September 2015 wurde - ausgehend von einer Pressemitteilung der Beklagten vom 22.09.2015 - über den Abgasskandal betreffend Motoren vom Typ EA 189 und nicht nur Fahrzeuge der Beklagten, sondern des gesamten VW-Konzerns, in den nationalen und internationalen Medien ausführlich berichtet. Zeitgleich mit der Pressemitteilung veröffentlichte die Beklagte eine aktienrechtliche ad hoc-Mitteilung und informierte sie ihre Vertragshändler, Servicepartner und die anderen Konzernhersteller über den Umstand, dass Fahrzeuge mit dem Motor Typ EA 189 über die beschriebene Umschaltlogik verfügen. Die Beklagte schaltete Anfang Oktober 2015 eine Website frei, auf der jedermann unter Eingabe einer Fahrzeugidentitätsnummer ermitteln konnte, ob das Fahrzeug mit einem vom Abgasskandal betroffenen Motor ausgestattet ist. Zu der Freischaltung gab die Beklagte ebenfalls im Oktober 2015 eine Pressemitteilung heraus. Darin wurde auch über den vom Kraftfahrtbundesamt beschlossenen Rückruf der betroffenen Fahrzeuge berichtet und kündigte die Beklagte an, in Abstimmung mit den zuständigen Behörden an Lösungsmöglichkeiten zu arbeiten. Entsprechend wurde in zahlreichen Medien berichtet. Daneben bestand die Möglichkeit, sich telefonisch, schriftlich oder per E-Mail beim V-Kundenservice zu informieren, ob in einem konkreten Pkw die Software verbaut ist. Zu den Einzelheiten wird auf die Ausführungen der Beklagten hierzu unter Lit. B. I. in der Berufungserwiderung vom 16.03.2020 (ab Blatt 37 eAkte) verwiesen.
Die Parteien streiten unter anderem um die Frage der Verjährung von Ansprüchen und darüb...