Entscheidungsstichwort (Thema)

Ärztlicher Diagnosefehlers und Beweislast

 

Leitsatz (amtlich)

1. Beim einfachen ärztlichen Diagnosefehler muss der Patient beweisen, dass der weitere Kausalverlauf bei richtiger Diagnose und Behandlung günstiger gewesen wäre.

2. Im Haftpflichtprozess gegen den Arzt bestehen geringere Anforderungen an die Darlegungspflicht. Gleichwohl ist die durch keinerlei Tatsachenvortrag untermauerte Wertung unzureichend, bei einem Diagnoseirrtum handele es sich um einen groben Fehler.

3. Die annähernd viermonatige Verzögerung einer gebotenen Fingeroperation kann ein Schmerzensgeld von 3.000 EUR rechtfertigen.

 

Normenkette

BGB §§ 276, 611, 823, 847; ZPO § 286

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Urteil vom 31.03.2006; Aktenzeichen 10 O 582/04)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 10. Zivilkammer des LG Koblenz vom 31.3.2006 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Klägerin zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin suchte am 18.3.2002 nach einer entsprechenden Überweisung durch ihren Hausarzt die unfallchirurgische Praxis des Beklagten auf. Sie hatte sich bei einem Sturz eine Verletzung am Mittelglied des linken Ringfingers zugezogen. Wann sich der Sturz ereignete, ist von den Parteien unterschiedlich dargestellt worden. In der Klageschrift war vom 18.2.2002 und in der Klageerwiderungsschrift vom 17.3.2002 die Rede. Eben dieses Datum nannte die Klägerin dann auch später ihrerseits schriftsätzlich, ehe sie bei einer persönlichen Anhörung den 18.3.2002 angab. Demgegenüber stellte der Beklagte nunmehr, veranlasst durch den ursprünglichen Klagevortrag, den 18.2.2002 in den Raum.

Bei dem Sturz war die palmare Basiskante im Mittelglied des Ringfingers abgesprengt worden und es außerdem zu einer Subluxation des Mittelgliedgelenks gekommen; dieses war nunmehr in einer Weise verrenkt, dass sich die ursprünglich aufeinander stehenden Gelenkflächen verschoben hatten. Das ging aus einer Röntgenaufnahme hervor, die der Beklagte am 18.3.2002 erstellte. Der Beklagte verkannte jedoch diesen Befund. Statt eine Operation zur Korrektur der Fehlstellung in den Gelenkflächen zu veranlassen, legte er eine Fingerschiene an, verordnete Ruhigstellung und nachfolgend Krankengymnastik. Diese Therapie hielt er auch noch für angezeigt, als ihn die Klägerin am 11.4.2002 erneut konsultierte und er ein zweites Röntgenbild machte. Am 4.7.2002 erachtete er die gewählte konservative Behandlung schließlich für nicht weiter dienlich.

Die Klägerin unterzog sich im Weiteren einem Eingriff, bei dem eine Gelenkversteifung vorgenommen wurde. Für die damit verbundene Bewegungseinschränkung, die von dauerhaften Schmerzen begleitet sei, hat sie den Beklagten verantwortlich gemacht. Ihrer Ansicht nach wäre der Schaden bei einer von vornherein richtigen Diagnosestellung, auf die hin kurzfristig hätte operiert werden können, nicht eingetreten.

Im Hinblick darauf hat sie beantragt, den Beklagten zum Ausgleich eines für die Zeit von zunächst 7,5 Monaten geltend gemachten Haushaltsführungsschadens zur Zahlung von 9.257,33 EUR nebst Zinsen und zur Zahlung eines mit mindestens 3.000 EUR nebst Zinsen bezifferten Schmerzensgelds zu verurteilen, sowie die Feststellung dessen weitergehender Ersatzpflicht begehrt. Dem hat das LG im Bezug auf die erhobene Schmerzensgeldforderung stattgegeben; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Es ist nach Einholung eines Sachverständigengutachtens von einem Diagnosefehler des Beklagten ausgegangen, der dazu geführt habe, dass die Klägerin verspätet operiert worden sei. Die damit verbundene Verzögerung des Heilungsverlaufs rechtfertige das zugesprochene Schmerzensgeld. Das darüber hinausreichende Klageverlangen scheitere; die Schäden, an die es anknüpfe, hätten nämlich auch bei einer frühzeitigen Operation nicht sicher vermieden werden können. Ein schwerwiegendes ärztliches Fehlverhalten, das die Beweislast in diesem Punkt zu Ungunsten des Beklagten umkehre, sei nicht zu erkennen.

Das greift die Klägerin mit der Berufung an. Sie verfolgt ihre abgewiesenen Anträge weiter und erhebt nunmehr den Vorwurf eines groben Diagnosefehlers.

II. Das Rechtsmittel ist ohne Erfolg. Die angefochtene klageabweisende Entscheidung des LG ist nicht zu beanstanden.

Sie ist darauf gestützt, dass der von dem Sachverständigen Dr. W. attestierte Diagnosefehler nachweisbar nur zu einer zeitlich begrenzten immateriellen Beeinträchtigung der Klägerin geführt habe, indem die nach der Befundlage gebotene Operation des linken Ringfingers zu spät durchgeführt und die Sturzverletzung damit erst langfristig geheilt worden sei. Eine Haftung des Beklagten für die weitergehend mit der Klage verfolgten immateriellen und materiellen Schäden, die nach der Darstellung der Klägerin einerseits in anhaltenden Schmerzen und einer Minderung der allgemeinen Lebensqualität sowie andererseits in andauernden Behinderungen in der häuslichen und beruflichen Arbeit liegen, hat das L...

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