Entscheidungsstichwort (Thema)
Zu den Voraussetzungen einer Sicherungshaft zur Zurückweisung
Leitsatz (amtlich)
1. Eine verfassungskonforme Auslegung des § 15 Abs. 5 AufenthG erfordert mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Erforderlichkeit einer Haftordnung zur Sicherstellung der Zurückweisung. Dabei ist das Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit abzuwägen ggü. dem Freiheitsanspruch des Betroffenen.
2. Wenngleich eine ausdrückliche Verweisung auf § 62 Abs. 2 AufenthG in § 15 Abs. 5 AufenthG fehlt, ist für die Zulässigkeit der Haft dennoch in der Regel eine dem § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 AufenthG vergleichbare Sachlage erforderlich.
Normenkette
AufenthG § 15 Abs. 5
Verfahrensgang
LG Köln (Beschluss vom 13.03.2008; Aktenzeichen 34 T 20/07) |
AG Köln (Beschluss vom 10.10.2007; Aktenzeichen 507d XIV 245/07) |
Tenor
Auf die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 34. Zivilkammer des LG Köln vom 13.3.2008 - 34 T 20/07 - aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass die mit Beschluss des AG Köln vom 10.10.2007 - 507 XIV 245/07 - angeordnete Zurückweisungshaft rechtswidrig war.
Der Betroffene hat die im Verfahren der Erstbeschwerde entstandenen Gerichtskosten zur Hälfte zu tragen; im Übrigen sind Gerichtskosten nicht zu erheben.
Die Antragstellerin hat dem Betroffenen die in erster Instanz sowie im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen notwendigen Auslagen insgesamt sowie die ihm im Verfahren der Erstbeschwerde erwachsenen Auslagen zur Hälfte zu ersetzen.
Gründe
I. Der Betroffene kam am 10.10.2007 mit einem aus N kommenden Flug im Flughafen L/C an und legte bei der Einreisekontrolle ein von der niederländischen Botschaft in N ausgestelltes gültiges Schengen-Visum vor. Da er zwei Gemälde nebst Expertisen mit sich führte, wurde gegen ihn ein - inzwischen eingestelltes - Steuerstrafverfahren eingeleitet. Die beiden Bilder wurden deswegen beschlagnahmt und es wurde von dem Betroffenen eine Sicherheit von 200 EUR gefordert und geleistet. Ferner wurde eine für sofort vollziehbar erklärte Einreiseverweigerung gem. § 15 Abs. 2 Nr. 2 u. 3 AufenthG i.V.m. Art. 5 () d u. e SGK verfügt. Um den um 17:40 Uhr festgenommenen Betroffenen am nächsten Morgen um 6:30 Uhr außer Landes zu bringen, beantragte die Antragstellerin sodann Zurückweisungshaft für einen Tag, die das AG nach Anhörung des Betroffenen nicht in vollem Umfang, sondern lediglich bis zum 11.10.2007, 8:00 Uhr anordnete.
Mit der hiergegen eingelegten sofortigen Beschwerde hat der Betroffene die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haftanordnung begehrt und weiter beantragt, das Hauptzollamt L anzuweisen, die Sicherheitsleistung und die beiden Bilder im Holzrahmen nebst Expertisen freizugeben.
Nach Rücknahme dieses Antrags hat das LG die sofortige Beschwerde im Übrigen zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner weiteren Beschwerde, mit der er das Begehren auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haftanordnung weiterverfolgt.
II. Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
Die Entscheidung des LG hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand (§§ 27 FGG, 546 ZPO).
Die Haftanordnung des AG, um dessen Rechtmäßigkeit es alleine geht, nachdem sich die Hauptsache vor Entscheidung über die Erstbeschwerde des Betroffenen erledigt hat, war rechtswidrig.
Gemäß § 15 Abs. 5 S. 1 AufenthG soll ein Ausländer zur Sicherung der Zurückweisung auf richterliche Anordnung in Haft genommen werden, wenn eine Zurückweisungsentscheidung ergangen ist und diese nicht unmittelbar vollzogen werden kann. Eines weiteren Haftgrundes nach § 62 Abs. 2 AufenthG bedarf es nunmehr - entgegen der vorherigen Regelung in § 15 Abs. 4 AufenthG a.F.- nicht mehr, wie aus der Verweisung in § 15 Abs. 5 S. 2 AufenthG allein auf § 62 Abs. 3 AufenthG deutlich wird. Diese Neuregelung, die eine regelmäßige Inhaftierung bei Nichtvollziehbarkeit der Zurückweisungsentscheidung ohne besondere Haftvoraussetzungen vorsieht und zudem eine Lockerung der bisherigen zeitlichen Beschränkungen der Haft enthält, entbindet die antragstellenden Behörden und die Haftrichter nicht davon, die Regelung verfassungskonform zu handhaben.
Auch nach der Verschärfung der Zurückweisungshaft in § 15 Abs. 5 AufenthG, deren sachliche Notwendigkeit von dem Gesetzgeber nicht begründet worden ist, steht die Haftanordnung im pflichtgebundenen Ermessen des Gerichts. Zwar ist die Anordnung der Haft als Regelfall vorgesehen, dennoch hat das Gericht auch nach der gesetzlichen Neuregelung in jedem Einzelfall bei dem Eingriff in die persönliche Freiheit des Betroffenen immer den rechtsstaatlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen, und zwar unter Abwägung mit dem Zweck der gesetzlichen Vorschrift, im Allgemeininteresse eine Einreise zu verhindern und die Durchführung der Zurückweisung zu sichern. Es ist in jedem Einzelfall die Erforderlichkeit der Haft zu prüfen. Hierbei ist abzuwägen zwischen dem Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit und dem Freiheitsanspru...