Entscheidungsstichwort (Thema)
Besorgnis der Befangenheit beim "vorbefassten" Richter
Leitsatz (amtlich)
Grundsätzlich genügt die Mitwirkung eines abgelehnten Richters an einem früheren Verfahren, auch über den gleichen Sachverhalt, das zu einer der Partei ungünstigen Entscheidung geführt hat, nicht als Ablehnungsgrund (vgl. LG Darmstadt mit Zitaten von BAG NJW 1993, 879; OLG Saarbrücken, OLGZ 1976, 469 m.w.N.). Hinzukommen müssen vielmehr besondere Gründe, die die begründete Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen, wenn der im Vorprozess tätige, nunmehr abgelehnte Richter am neuen Verfahren teilnimmt. So kann (ausnahmsweise) eine prozessrechtlich atypische Situation vorliegen, die ohne das Hinzutreten besonderer Umstände die Ablehnung gerechtfertigt erscheinen lassen (vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 42 Rz. 15, 17).
Normenkette
ZPO § 42 Abs. 2, § 41 Nr. 6
Verfahrensgang
LG Bonn (Beschluss vom 21.04.2009; Aktenzeichen 15 O 512/08) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss der 9. Zivilkammer des LG Bonn vom 21.4.2009 - 15 O 512/08 -, mit welchem die Befangenheitsanträge des Beklagten bezüglich des Vorsitzenden Richters am LG H und der Richterin am LG F zurückgewiesen worden ist, wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Gründe
Die gem. § 46 Abs. 2 ZPO zulässige - insbesondere fristgerecht eingelegte - sofortige Beschwerde des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das LG die Befangenheitsanträge des Beklagten zurückgewiesen. Die abgelehnten Richter sind nicht wegen Vorbefassung befangen.
Nach § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Dabei muss es sich um einen objektiven Grund handeln, der vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung erwecken kann, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteilich gegenüber. Rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen und Gedankengänge des Gesuchstellers scheiden aus (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 42 Rz. 9 m.w.N.).
Die Vorschrift des § 42 Abs. 2 ZPO muss im Hinblick auf Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ausgelegt werden. Das verfassungsrechtliche Gebot des gesetzlichen Richters zwingt das erkennende Gericht, die tatbestandlichen Voraussetzungen, unter denen ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden kann, nicht extensiv auszulegen, um so der Gefahr vorzubeugen, dass ein "missliebiger Richter", der gesetzlicher Richter ist, von seinem Amt ausgeschlossen wird (OLG Saarbrücken, OLGZ 1974, 2991). Daher bietet das verfassungsrechtliche Gebot des gesetzlichen Richters eine restriktive Auslegung des § 42 ZPO. Andererseits ist zu bedenken, dass die Anforderungen an die Vernunft und Einsichtsfähigkeit der ablehnenden Partei nicht überspannt werden. Eine übertriebene Engherzigkeit bei der Behandlung von Ablehnungsgesuchen stünde im Widerspruch mit der gesetzlichen Intention.
Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist nicht nur eine formale Bestimmung, die schon dann erfüllt ist, wenn der gesetzliche Richter allgemein und eindeutig feststeht, vielmehr muss zugleich und vor allem gewährleistet sein, dass ein Rechtssuchender nicht vor einem Richter steht, der aus bestimmten Gründen die gebotene Neutralität und Distanz vermissen lässt (so LG Darmstadt NJW-RR 1999, 289 f. mit Zitaten von BVerfGE 30, 149. 153 = NJW 1971, 1029).
Grundsätzlich genügt die Mitwirkung eines abgelehnten Richters an einem früheren Verfahren, auch über den gleichen Sachverhalt, das zu einer der Partei ungünstigen Entscheidung geführt hat, nicht als Ablehnungsgrund (vgl. LG Darmstadt mit Zitaten von BAG NJW 1993, 879; OLG Saarbrücken, OLGZ 1976, 469 m.w.N.). Hinzukommen müssen vielmehr besondere Gründe, die die begründete Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen, wenn der im Vorprozess tätige, nunmehr abgelehnte Richter am neuen Verfahren teilnimmt. So kann eine prozessrechtlich atypische Situation vorliegen, die ohne das Hinzutreten besonderer Umstände die Ablehnung gerechtfertigt erscheinen lassen (vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 42 Rz. 15, 17).
Im vorliegenden Fall kann eine derartige atypische prozessuale Situation, die - auch ohne Hinzutreten weiterer, in der Person des abgelehnten Richters begründeter Umstände - bei einer besonnen denkenden Partei bei vernünftiger Betrachtung die begründete Besorgnis der Befangenheit entstehen lassen kann, nicht bejaht werden. Die atypische Situation kann nämlich nach Auffassung des Senats nicht allein und immer dann schon angenommen werden, wenn der abgelehnte Richter mit der Sache, über die er nunmehr in einem summarischen Verfahren über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (mit) zu entscheiden hat, vorbefasst war. Diese Situation kommt nicht selten vor, hat dem Gesetzgeber aber keine Veranlassung gegeben, sie ähnlich wie im Fall des § 41 Nr. 6 ZPO generell als...