Verfahrensgang
LG Aachen (Beschluss vom 20.09.2005; Aktenzeichen 9 O 182/05) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss des Vorsitzenden der 9. Zivilkammer des LG Aachen vom 20.9.2005 - 9 O 182/05 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass unter Ziff. II. des angefochtenen Beschlusses die Wendung "von bis zu 10,000 EUR" durch die Wendung "von 10.000 EUR" ersetzt wird.
Die Schuldnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe
I. Der in den Niederlanden wohnende Gläubiger hat einen Titel der Rechtsbank I gegen die Schuldnerin, eine GmbH mit Sitz in Deutschland, erwirkt, in dem sie u.a. verurteilt worden ist, an den Gläubiger rückständiges und laufendes Gehalt zu zahlen, ihm einen bestimmt bezeichneten Pkw mit Tankpass zur Verfügung zu stellen sowie ihn unter Einrichtung eines Büroarbeitsplatzes sowie Neuerteilung einer entzogenen Bankvollmacht wieder zur Arbeit zuzulassen. Diesen Titel hat der Vorsitzende der 9. Zivilkammer des LG Aachen rechtskräftig für vollstreckbar erklärt.
Mit weiterem Beschl. v. 20.9.2005 hat der Vorsitzende der Zivilkammer den Gläubiger antragsgemäß wegen des Pkws zur Ersatzvornahme ermächtigt, die Schuldnerin zu einem Kostenvorschuss von 40.000 EUR verurteilt und wegen der Weiterbeschäftigung ein Zwangsgeld "bis zu 10.000 EUR" festgesetzt. Hiergegen wendet sich die Schuldnerin mit ihrer sofortigen Beschwerde, der das LG nicht abgeholfen hat und mit der sie geltend macht, für die Vollstreckungsmaßnahmen sei nicht das LG Aachen sondern das niederländische Prozessgericht, also die Rechtsbank I. zuständig.
II. Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin ist gem. § 793 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist davon auszugehen, dass das Rechtsmittel rechtzeitig eingelegt worden ist. Das LG hat nach erfolglosem Zustellversuch am Sitz der Schuldnerin mit einer am 6.10.2005 ausgeführten Verfügung die Zustellung des angefochtenen Beschlusses per Einschreiben mit Rückschein an die niederländische Privatanschrift ihres Geschäftsführers verfügt. Auch wenn auf dem Rückschein der niederländische Zusteller das Datum der Aushändigung nicht eingetragen hat und die Feststellungslast wegen der Rechtzeitigkeit des Rechtsmittels bei der Schuldnerin liegt, kann wegen der längeren Postlaufzeiten ins Ausland unabhängig von der Erklärung der Schuldnerin, sie habe die angefochtene Entscheidung am 21.10.2005 erhalten, bereits nach normalem Verlauf der Dinge davon ausgegangen werden, dass mit dem Eingang des Rechtsmittels am 25.10.2005 die 2 Wochen-Frist des § 569 Abs. 1 ZPO gewahrt ist.
Über das mithin zulässige Rechtsmittel hat der Senat in seiner GVG-mäßigen Besetzung und nicht der Einzelrichter des § 568 ZPO zu entscheiden. Der aufgrund EG-Rechts gem. Art. 39 EuGVVO i.V.m. Anhang II der EuGVVO oder aufgrund internationaler Abkommen i.V.m. § 2 Abs. 3 AVAG zuständige Vorsitzende der Zivilkammer des LG entscheidet zwar alleine, aber als eigenständiger Spruchkörper und nicht als "Einzelrichter" i.S.d. §§ 348ff, 568 ZPO (OLG Köln InVO 2002, 28 = IPrax 2003, 354 m. Anm. Geimer S. 337; OLG Zweibrücken InVO 2005, 428). Eigenständiger Spruchkörper bleibt er - ungeachtet der fehlerhaften Bezeichnung seiner Funktion in dem angefochtenen Beschluss als "Einzelrichter" - auch dann, wenn er - wie hier - nach der Vollstreckbarkeitserklärung weitere Entscheidungen in seiner Eigenschaft als "Prozessgericht" trifft. Auch für diesen Fall ist er nicht aufgrund der originären oder obligatorischen Einzelrichterzuständigkeit nach den § 348, 348a ZPO, sondern aufgrund der Europarechtlichen Kompetenzzuweisung des Anhangs II der EuGVVO tätig geworden.
In der Sache hat das Rechtsmittel indes keinen Erfolg.
Deutsche Gerichte, also das LG bzw. nunmehr der Senat sind für die Entscheidung über die Anträge auf Ersatzvornahme und Zahlung eines Kostenvorschusses sowie für den Antrag auf Festsetzung eines Zwangesgeldes international zuständig. Hierbei kann es dahingestellt bleiben, ob es sich bei dem vorliegenden Verfahren über Anträge auf Vornahme einer Ersatzvornahme, eines Kostenvorschusses hierfür und auf Festsetzung eines Zwangsgeldes um solche der "Zwangsvollstreckung" i.S.d. Art. 22 Ziff. 5 EuGVVO handelt, was umstritten ist, wofür aber der Umstand spricht, dass das Verfahren wegen der Pflicht zur Anhörung des Schuldners gem. § 891 ZPO kontradiktorisch ausgestaltet ist und es sich daher nicht lediglich um eine bloße "Maßnahme" der Zwangsvollstreckung handelt (vgl. zu diesen Abgrenzungskriterien OLG Köln v. 20.1.2004 - 16 W 35/03, OLGReport Köln 2004, 157 = InVO 2004, 425; OLG Saarbrücken IPrax 2001, 456; Gottwald in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., Art. 16 EuGVÜ Rz. 39; Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 7. Aufl., Art. 22 EuGVVO Rz. 61 mit weiteren Nachweisen). Jedenfalls folgt die Möglichkeit zu gerichtlichen Inanspruchnahme der Schuldnerin in Deutschland schon daraus, dass sie hier ihren Firmensitz hat (Art. 2 Abs. 1 EuGVVO).
Fraglich und zweifelhaft kann es daher nur noch sein, ob au...