Entscheidungsstichwort (Thema)

Fiktive Einkommensberechnung bei der Prozesskostenhilfebewilligung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die ausnahmsweise Versagung bzw. Beschränkung von Prozesskostenhilfe wegen der Annahme einer schuldhaften - nicht notwendigerweise vorsätzlichen - Arbeitsverweigerung ist auf grobe Missbrauchsfälle beschränkt.

2. Der bloße Hinweis des FamG, die Antragstellerin habe zu Erwerbsbemühungen nichts vorgetragen, rechtfertigt weder die gänzliche Versagung von Prozesskostenhilfe noch die Anordnung von Ratenzahlungen. Zwar kann die Fähigkeit, durch zumutbare Arbeit Geld zu verdienen, wie Einkommen zu behandeln sein. Arbeitet die antragstellende Partei nicht, obwohl sie das könnte, sind ihr fiktive Einkünfte in der erzielbaren Höhe zuzurechnen. Sonst könnten sich die Gerichte nicht gegen "arbeitsscheue" Parteien wehren, welche die Prozesskostenhilfe missbrauchen. In diesen Fällen ist von einem fiktiven Einkommen in erzielbarer Höhe auszugehen und hiernach sind die Raten auf die Prozesskosten zu berechnen. Die fiktive Berechnung ist dabei jedoch auf klare Missbrauchsfälle zu beschränken, wobei allerdings Vorsatz nicht festgestellt werden muss. Die tatsächlichen Voraussetzungen für eine schuldhafte Arbeitsverweigerung sind vom Gericht festzustellen und die realen Arbeitsmöglichkeiten zu klären. (vgl. dazu Zöller/Philippi, ZPO, 26. Aufl. 2005, § 115 Rz. 6 mit weiteren Nachweisen).

3. Verfügt die antragstellende Partei weder über eine Berufsausbildung noch über einen Schulabschluss und lebt sie bereits mehrere Jahre von den geringen Leistungen nach dem SGB II, kann ohne weitere sonstige Anhaltspunkte ein derart klarer Missbrauch der Prozesskostenhilfe nicht fest gestellt werden (in Abgrenzung zum OLG Köln vom 8.10.2007 - 4 WF 120/06 OLG Köln - = FamRZ 2006, 1549).

4. Erforderlich wären darüber hinaus belegte Feststellungen des entscheidenden Gerichts dazu, welches Einkommen die antragstellende Partei bei einer Erwerbstätigkeit erzielen könnte, damit ihre Bedürftigkeit ganz oder teilweise verneint werden könnte.

 

Normenkette

ZPO §§ 114-115

 

Verfahrensgang

AG Köln (Beschluss vom 16.08.2007; Aktenzeichen 307 F 184/07)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Die zulässige sofortige Beschwerde des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht hat das AG dem Kläger die nachgesuchte Prozesskostenhilfe nicht bewilligt, weil die Klage auf Absenkung des Ehegattenunterhalts von 400 EUR gemäß Vergleich vom 15.3.2005 auf Null keine Aussicht auf Erfolg hat.

Zur Begründung weist der Senat zunächst auf den angefochtenen Beschluss sowie den Nichtabhilfebeschluss vom 16.10.2007.

Ergänzend sei hinzugefügt:

Bei der Leistungsfähigkeit des Klägers sind Fahrtkosten mangels substantiierten Vortrags hierzu nicht zu berücksichtigen. Der Kläger trägt selbst vor, wegen der Fahrtkostenerstattungen seines Arbeitgebers Fahrtkosten zunächst nicht anzusetzen. Dass diese Erstattungen seine Kosten nicht decken, hat er bislang nicht dargelegt. Da in den Kostenpauschalen pro km in der Regel auch ein Anteil enthalten ist, der die Anschaffungskosten des Fahrzeugs betrifft, kann daneben ein Anschaffungskredit nicht berücksichtigt werden.

Bei der Bedürftigkeit der Beklagten ist das AG zu Recht davon ausgegangen, dass ihr aus einer Halbstagsbeschäftigung als Friseurin kein höheres Nebeneinkommen als 600 EUR monatlich zugerechnet werden kann. Dies entspricht auch nach aller Erfahrung des Senats den tatsächlichen Verhältnissen.

Wird mit dem Kläger ein Wohnwert von 624 EUR zugrunde gelegt, verbleiben nach Abzug der Kosten noch 290 EUR.

Diese beiden Positionen führen aber noch nicht zu einer Absenkung des Ehegattenunterhalts unter 400 EUR.

Nach dem Vortrag des Klägers lebt die Beklagte nicht mit einem Lebensgefährten in einer Wohnung zusammen.

Nach der Beschreibung der Beziehung durch die Beklagte stellt sich diese nach außen hin auch nicht wie eine eheähnliche Gemeinschaft dar.

Eine Vernehmung des Lebensgefährten als Zeugen würde hier einer Ausforschung der Verhältnisse gleichkommen, da der Vortrag des Klägers hierzu äußerst dürftig ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1839819

ZFE 2008, 316

OLGR-Mitte 2008, 146

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge