Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenerstattung bei Anreise zum Untersuchungstermin
Leitsatz (amtlich)
Kosten, die dadurch veranlasst werden, dass der Prozessbevollmächtigte einer Partei zu einem ärztlichen Untersuchungstermin des Prozessgegners durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen anreist, sind grundsätzlich nicht erstattungsfähig.
Normenkette
ZPO § 91 Abs. 1 S. 1, § 357 Abs. 1, § 404a
Verfahrensgang
LG Aachen (Beschluss vom 20.08.2012; Aktenzeichen 9 O 344/07) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin beim LG Aachen vom 20.8.2012 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Aufgrund des Urteils des LG Aachen vom 16.3.2012 sind von der Klägerin an die Beklagte 1.551,17 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 4.4.2012 zu erstatten.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte.
Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren: 403,68 EUR.
Gründe
I. Die Klägerin erhob Klage gegen die Beklagte, bei der sie einen Versicherungsvertrag abgeschlossen hatte. Sie begehrte die Feststellung, dass diese verpflichtet sei, ihr eine monatliche Berufsunfähigkeitsrente zu zahlen, da sie aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage sei, ihren Beruf als Landschaftsgärtnerin auszuüben. Da die Beklagte ihre Eintrittspflicht bestritt, ordnete das LG Beweisaufnahme durch Einholung eines gynäkologischen Sachverständigengutachtens an. Der zum Sachverständigen ernannte Dr. Q, Chefarzt der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe des Evangelischen Krankenhauses in M, erstattete im Dezember 2010 sein Gutachten, ohne einen der Prozessbeteiligten von dem anstehenden Untersuchungstermin benachrichtigt zu haben. U. a. deswegen erhob die Beklagte Bedenken gegen die Verwertbarkeit der gutachterlichen Feststellungen. Das LG ordnete sodann an, dass der Sachverständige die Klägerin nochmals zu untersuchen und die Prozessbeteiligten vorab von diesem Termin in Kenntnis zu setzen habe. Dem kam der Sachverständige nach. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten begab sich zum Untersuchungstermin von Karlsruhe aus nach M, wo er an der Anamnese der Klägerin teilnahm. Nach Erstattung des Ergänzungsgutachtens wies das LG die Klage ab.
Zur Festsetzung angemeldet hat die Beklagte u.a. die Kosten, die für die Fahrt ihres Prozessbevollmächtigten nach M entstanden sind (Tages- und Abwesenheitsgeld, Bahn- und Sitzplatzkarten, Übernachtungskosten), insgesamt 403,68 EUR.
Sie ist der Ansicht, diese Kosten seien erstattungsfähig. Wenn es der Gesetzgeber für derart wichtig ansehe, dass der Sachverständige die Parteien über einen Orts- bzw. Untersuchungstermin vorab zu informieren habe, korrespondiere damit zwingend das Recht der Partei, den Termin selbst und/oder durch einen Vertreter wahrzunehmen. Gerade weil der Sachverständige seiner Benachrichtigungspflicht vor Erstattung des Erstgutachtens nicht nachgekommen war, sei dieses unverwertbar gewesen. Auch wenn ihr Prozessbevollmächtigter zur eigentlichen Untersuchung nichts habe beitragen können, so sei nur durch dessen Anwesenheit zu beurteilen gewesen, ob der Probandin alle nötigen Fragen gestellt und die gegebenen Antworten protokolliert worden seien und ob die Methodik und die apparative Untersuchungstechnik dem neuesten Stand entsprächen.
Die Klägerin hält die in Rede stehenden Kosten nicht für erstattungsfähig. Die Anwesenheit des Prozessbevollmächtigten der Beklagten sei nicht erforderlich gewesen. Dieser habe weder gutachterliche noch Parteikenntnisse (über ihren Gesundheitsverlauf) gehabt. Wolle man dies vom Grundsatz her anders sehen, sei die Beklagte aus ökonomischen Gründen gehalten gewesen, einen vor Ort ansässigen Rechtsanwalt zu mandatieren.
Die Rechtspflegerin hat die Festsetzung antragsgemäß vorgenommen und zur Begründung ausgeführt, es sei nicht zu beanstanden, dass sich eine Partei durch ihren Rechtsanwalt beim Begutachtungstermin vertreten lasse. Der Beschwerde der Klägerin hat sie nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die gem. § 104 Abs. 3 Satz 2 ZPO i.V.m. § 11 Abs. 1 RpflG statthafte und auch ansonsten unbedenklich zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache selbst vollen Erfolg.
Die Beklagte hat keinen Anspruch auf Festsetzung und Erstattung derjenigen Kosten, die durch die Reise ihres Prozessbevollmächtigten von L nach M und zurück entstanden sind. Ihre Veranlassung ist i.S.d. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder - Verteidigung anzusehen.
1. Die Vorgehensweise der Beklagten verstößt gegen den auf dem Grundsatz von Treu und Glauben beruhenden Gebot, dass jede Partei die Kosten ihrer Prozessführung so niedrig als möglich zu halten hat, wie sich dies mit der vollen Wahrung ihrer berechtigten prozessualen Belange vereinbaren lässt (BGH MDR 2003, 1140; 2007, 1160; BAG NJW 2008, 1340). Erstattbar sind Kosten deshalb nur dann, wenn sie sich aus der Sicht einer wirtschaftlich denkenden Partei als erforde...