Entscheidungsstichwort (Thema)
"Die schöne Müllerin": Rechtsverletzung in gewerblichem Ausmaß
Leitsatz (amtlich)
1. Im Sinne des § 101 Abs. 2 UrhG kann eine Rechtsverletzung in gewerblichem "Ausmaß" auch bei rein privatem Handeln zu bejahen sein. Entscheidend ist, dass sie ein Ausmaß aufweist, wie dies üblicherweise mit einer auf einem gewerblichen Handeln beruhenden Rechtsverletzung verbunden ist. Der Senat hält daher daran fest, dass das Angebot eines kompletten Musikalbums in dessen aktueller Verkaufsphase im Rahmen einer Internettauschbörse ein gewerbliches Ausmaß erreicht.
2. Ein Album mit klassischer Musik (hier: Lieder von Franz Schubert, gesungen von Thomas Quasthoff) kann sich auch 3 Jahre nach der Erstveröffentlichung in der aktuellen Verkaufsphase befinden, sofern es noch unverändert zum Ausgangspreis veräußert wird (Abgrenzung zu OLG Zweibrücken GRUR - RR 2009, 12,13)
Normenkette
UrhG § 101 Abs. 1-2
Verfahrensgang
LG Köln (Beschluss vom 12.12.2008; Aktenzeichen 28 OH 21/08) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des LG Köln vom 12.12.2008 (28 OH 21/08) abgeändert und wie folgt neugefasst:
Die Verwendung von Verkehrsdaten (§ 3 Nr. 30 TKG) durch die Beteiligte zur Erteilung der Auskunft an die Antragstellerin über Namen und Anschrift desjenigen Nutzers, dem am 3.11.2008 um 10:40:34 MEZ die IP-Adresse 91.16.248.148 zugewiesen war, ist zulässig.
Die außergerichtlichen Kosten tragen die Parteien selbst; Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 131 Abs. 1 KostO).
Gründe
I. Die Antragstellerin betreibt ein Schallplattenlabel. Sie macht geltend, Inhaberin der Verwertungsrechte für die Bundesrepublik Deutschland an dem insgesamt 20 Lieder enthaltenden, 2005 veröffentlichten Musikalbum "Franz Schubert - Die schöne Müllerin", gesungen von Thomas Quasthoff, begleitet von Justus Zeyen, zu sein.
Die Beteiligte ist ein Internet-Provider. Sie vergibt an ihre Kunden für die Nutzung des Internets IP-Adressen, die bei jedem neuen Zugang zum Internet, spätestens aber nach Ablauf von 24 Stunden, neu vergeben werden (sog. dynamische IP-Adressen).
Die Antragstellerin trägt vor, die von ihr insoweit beauftragte lR Gesellschaft zum Schutz geistigen Eigentums mbH habe ermittelt, dass dieses Musikalbum von einem Computer aus, dem von der Beteiligten die im Tenor genannte IP-Adresse zugewiesen war, in der Internettauschbörse AS der Öffentlichkeit zum Herunterladen angeboten worden ist.
Die Antragstellerin hat beim LG Köln beantragt anzuordnen, dass die Verwendung von Verkehrsdaten durch die Beteiligte zur Erteilung der Auskunft über den Namen und die Anschrift des Inhabers dieses Anschlusses zulässig ist. Das LG hat zunächst im Wege der einstweiligen Anordnung der Beteiligten aufgegeben, die für die Auskunft erforderlichen Daten zu sichern. Den Antrag auf Gestattung der Auskunftserteilung hat das LG durch den angefochtenen Beschluss zurückgewiesen und zugleich ausgesprochen, dass über die Aufrechterhaltung der einstweiligen Anordnung nach Ablauf der Rechtsmittelfrist entschieden werden soll. Zur Begründung hat das LG ausgeführt, die Antragstellerin sei zwar aktivlegitimiert und es liege auch eine offensichtliche Rechtsverletzung i.S.v. § 19a UrhG vor, diese habe jedoch nicht ein gewerbliches Ausmaß erreicht. Angesichts der Veröffentlichung des Musikalbums im Jahr 2005 und eines Verkaufsrangs 5.641 bei Amazon am 11.12.2008 könne nicht mehr davon ausgegangen werden, dass die Verletzungshandlung im relevanten Auswertungszeitraum vorgenommen worden sei. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie ihren Antrag weiterverfolgt.
II. Die sofortige, gem. § 101 Abs. 9 Satz 6 UrhG statthafte Beschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
1.a) Die Feststellung des LG, dass die Antragstellerin Inhaberin der Verwertungsrechte ist, lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Soweit die Beteiligte eine hinreichende Substantiierung vermisst, schließt sich dem der Senat aus den von der Antragstellerin angeführten Gründen nicht an.
b) Auch die Feststellung des LG, das Musikalbum sei unter der fraglichen IP-Adresse im Internet zum Herunterladen angeboten worden, beruht nicht auf Rechtsfehlern. Auch insoweit möchte die Beteiligte lediglich die Würdigung des LG der von der Antragstellerin vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen durch ihre eigene Bewertung ersetzen. Auch insofern schließt § 101 Abs. 9 Satz 7 UrhG eine Überprüfung im Beschwerdeverfahren aus.
2. Rechtsfehlerhaft ist es indessen, dass das LG angenommen hat, die Urheberrechtsverletzung sei nicht in gewerblichem Ausmaß erfolgt.
a) Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des LG, dass der Auskunftsanspruch aus § 101 Abs. 2 UrhG eine Rechtsverletzung in gewerblichem Ausmaß voraussetzt (vgl. OLG Köln, Beschl. v. 21.10.2008 - 6 Wx 2/08, GRUR-RR 2009, 9 [11]); dies dürfte inzwischen gefestigter Rechtsprechung entsprechen (vgl. OLG Zweibrücken, GRUR-RR 2009, 12 [13]; LG Frankfurt, GRUR-RR 2009, 15; LG Darmstadt, GRUR-RR 2009, 13 [14]; vgl...