Entscheidungsstichwort (Thema)
Erfordernis der Anhörung und Sachaufklärung
Leitsatz (amtlich)
Im Verfahren der Betreuerbestellung ist auch das Gericht der Erstbeschwerde grundsätzlich zur Anhörung des Betroffenen verpflichtet. Eine Ausnahme von diesem Erfordernis ist jedenfalls dann nicht zulässig, wenn wegen eines Zeitablaufs von über sechs Monaten nach der letzten Anhörung wesentliche Veränderungen eingetreten sein können.
Ein Ausnahmetatbestand, der von einer Anhörung absehen lassen kann, entfällt auch dann, wenn das Erstbeschwerdegericht weitere Ermittlungen durch Anhörung neuer Zeugen anstellt und in einem Termin die Sache erörtert.
Normenkette
FGG §§ 12, 68
Verfahrensgang
LG Aachen (Beschluss vom 26.02.2007; Aktenzeichen 3 T 296/06) |
AG Aachen (Aktenzeichen 72 XVII St 487) |
Tenor
Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 5.) wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des LG Aachen vom 26.2.2007 - 3 T 296/06 - aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen.
Gründe
Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 5.) ist zulässig, §§ 69g Abs. 1, 69i Abs. 3 FGG. In der Sache führt sie zur Aufhebung der Beschwerdeentscheidung und zur Zurückverweisung an das LG, dessen Entscheidung aus Rechtsgründen (§ 27 FGG, 546 ZPO) nicht bestehen bleiben kann.
Die vom LG getroffene Entscheidung ist nicht verfahrensfehlerfrei zustande gekommen. Der Betroffenen ist kein rechtliches Gehör gewährt worden, da ohne ihre Anhörung bzw. ohne Bestellung eines Verfahrenspflegers entschieden worden ist und damit gegen §§ 68, 69g Abs. 5 FGG verstoßen wurde. Ferner hätte der Grundsatz der Amtsermittlung (§ 12 FGG) geboten, auch der Betreuungsbehörde anlässlich des Anhörungs- und Beweiserhebungstermins vom 12.2.2007 Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, § 68a FGG.
Im Verfahren der Betreuerbestellung ist der Betroffene persönlich anzuhören; das Gericht hat sich einen unmittelbaren Eindruck zu verschaffen, § 68 Abs. 1 S. 1 FGG. Diese Verfahrensvorschrift gilt auch für das Beschwerdeverfahren, § 69g Abs. 5 FGG. Nur in Ausnahmefällen kann das Beschwerdegericht von einer Anhörung absehen, und zwar dann, wenn von der Verfahrenshandlung keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind. Das ist u.a. dann der Fall, wenn es nur um die Klärung von Rechtsfragen geht oder keine neuen Tatsachen vorgebracht werden (s. dazu i.E. Bumiller/Winkler, FGG, 8. Aufl., § 69g Rz. 6).
Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Abgesehen davon, dass die angegriffene Entscheidung nicht die gebotene Begründung für das Absehen von einer Anhörung enthält, war eine Anhörung bzw. deren Ersetzung durch die Bestellung eines Verfahrenspflegers nicht entbehrlich. Zum einen war die Betroffene schon im Juni 2006 durch das Vormundschaftsgericht angehört worden, so dass inzwischen durch den Zeitablauf bis zur Beschwerdeentscheidung im Februar 2007 wesentliche Veränderungen im Gesamtzustand der Betroffenen eingetreten sein konnten. Bereits dieser zeitliche Abstand hätte die Zivilkammer veranlassen müssen, sich einen persönlichen Eindruck zu verschaffen oder sich durch einen Verfahrenspfleger zum aktuellen Zustand der Betroffenen informieren zu lassen. Zum anderen hatte das LG schon im Vorfeld zu erkennen gegeben, dass es eine Abänderung der amtsgerichtlichen Entscheidung in Erwägung ziehe - wie es auch geschehen ist -, und vor dieser Entscheidung zur weiteren Sachaufklärung einen Erörterungstermin sowie die Vernehmung eines sachkundigen Zeugen plane. In Anbetracht dieser weiteren Tatsachenermittlung hätte zu dem Termin, in dem tatsächlich ein neuer Zeuge angehört wurde, die Betroffene persönlich oder zu deren Vertretung ein bestellter Verfahrenspfleger geladen werden müssen. Im letzteren Fall hätte die Kammer in Anbetracht der Vorschriften der §§ 67 Abs. 1 S. 2, 68 Abs. 2 Nr. 2 FGG von der persönlichen Anhörung absehen dürfen, da wegen der fortgeschrittenen Demenz der Betroffenen eine Pflegerbestellung in Betracht kommt. Die Feststellungen der Sachverständigen B lassen erkennen, dass die Betroffene nicht mehr in der Lage ist, die Tragweite einer Betreuung zu erfassen und dementsprechend ihren Willen kundzutun, so dass die Voraussetzungen des § 68 Abs. 2 Nr. FGG vorliegen dürften.
Entgegen der Meinung der Beteiligten zu 3.) und 4.) kann die Beteiligte zu 2.) im Beschwerdeverfahren nicht die Interessen der Betroffenen wirksam vertreten, da eine solche Vertretung schon nicht zu ihrem Aufgabenkreis gehört und im Übrigen in diesem Verfahren, in dem es auch um ihre Bestellung als Betreuerin geht, Interessenkonflikte nicht auszuschließen sind.
Die vom AG erfolgte Bestellung einer Verfahrenspflegerin endete mit der ersten Instanz und hatte mithin keine Auswirkungen auf das Verfahren zweiter Instanz.
Die Zivilkammer hätte im Übrigen die Betreuungsbehörde am Beschwerdeverfahren beteiligen müssen, §§ 12, 68a FGG. Der Behörde hätte zu den Erklärungen der Beteiligten im Termin vom 12.2.2007 sowie der Aussage des Zeugen Prof. Dr. T gehört werden müssen. Die...