Leitsatz (amtlich)
Allein durch die in einem Prozessvergleich enthaltene allgemeine Abgeltungsklausel, wonach mit Zahlung des Vergleichsbetrages alle wechselseitigen Ansprüche der Parteien ausgeglichen sind, wird die im zugrunde liegenden Rechtsstreit als Nebenforderung geltend gemachte vorgerichtliche Geschäftsgebühr nicht i.S.v. § 15a Abs. 2 RVG tituliert (Anschluss an OLG Karlsruhe AGS 2010, 209; OLG Naumburg AGS 2010, 211; OLG Stuttgart AGS 2010, 212; entgegen OLG Saarbrücken AGS 2010, 60).
Normenkette
RVG § 15a; RVG-VV Nr. 2300
Verfahrensgang
LG Köln (Beschluss vom 03.03.2010; Aktenzeichen 23 O 433/08) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Kläger wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers des LG Köln vom 3.3.2010 - LG Köln 23 O 433/08 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Auf Grund des Beschlusses des LG Köln vom 25.1.2010 sind von der Beklagten 1.926,86 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 2.2.2010 an die Kläger zu erstatten.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren: 284,79 EUR
Gründe
Die gem. § 104 Abs. 3 S. 1 ZPO i.V.m. § 11 Abs. 1 RPflG statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde der Kläger, mit welcher diese sich dagegen wenden, dass die im Kostenfestsetzungsantrag vom 1.2.2010 in Ansatz gebrachte 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG-VV durch Anrechnung der unstreitig entstandenen, anteiligen Geschäftsgebühr um 0,65 gekürzt worden ist, ist begründet.
Allerdings ist der Rechtspfleger im Ausgangspunkt zu Recht davon ausgegangen, dass die Vorschrift des § 15a Abs. 2 RVG auf alle am 5.8.2009 noch nicht abgeschlossenen Kostenfestsetzungsverfahren nach § 104 ff. ZPO anwendbar ist. Der Senat hält insoweit an seiner bereits im Beschluss vom 14.9.2009 (17 W 195/09, abgedruckt in: AGS 2009, 512 sowie JurBüro 2009, 640) und seitdem in ständiger Rechtsprechung vertretenen Auffassung fest, welche von verschiedenen Senaten des BGH geteilt wird (vgl. BGH, AGS 2010, 159; NJW 2010, 1375; MDR 2009, 1311).
Indes liegen die Voraussetzungen für eine Anrechnung gem. § 15a Abs. 2 RVG im Streitfall nicht vor.
Das Anrechnungsgebot erstreckt sich grundsätzlich nur auf das Vergütungsverhältnis zwischen Anwalt und Mandant, während sich ein Dritter nach den in § 15a Abs. 2 RVG aufgeführten Regelungsalternativen nur dann auf die Anrechnung berufen kann, wenn er in eigener Person als Schuldner/Erstattungspflichtiger sowohl für die Geschäftsgebühr als auch für die Verhandlungsgebühr zu betrachten ist, also soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat, wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht oder beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen kann vorliegend nicht festgestellt werden, insbesondere lässt sich dem durch Beschluss vom 25.1.2010 festgestellten Vergleich nicht entnehmen, ob und bejahendenfalls in welchem Umfang die außergerichtlich angefallene und im zugrunde liegenden Verfahren als Nebenforderung geltend gemachte Geschäftsgebühr tituliert worden ist. Dies gilt auch in Ansehung der in Ziff. 1. des Vergleichs enthaltenen Abgeltungsklausel, wonach mit Zahlung des Vergleichsbetrags sämtliche wechselseitigen Ansprüche der Parteien ausgeglichen sind. Daraus folgt nämlich lediglich, dass die Geschäftsgebühr durch den Vergleich mit erledigt worden ist und daher im Verhältnis der Prozessparteien nicht mehr geltend gemacht werden kann, nicht jedoch dass - bzw. in welchem Umfang - sie bei der Festlegung des Vergleichsbetrags berücksichtigt worden und in diesem - jedenfalls teilweise - enthalten ist (so auch OLG Stuttgart, AGS 2010, 212, 213; OLG Karlsruhe, AGS 2010, 209, 210; a.A. OLG Saarbrücken Saarbrücken, AGS 2010, 60 ff.). Angesichts des Umstandes, dass der im Vergleichswege titulierte Betrag von 5.000, - EUR geringer ist als die klageweise geltend gemachte Hauptforderung, ist nämlich - neben anderen Alternativen - auch denkbar, dass die Kläger vergleichsweise auf die Geschäftsgebühr verzichtet haben, was einer Titulierung der Geschäftsgebühr gerade nicht gleichsteht (vgl. OLG Stuttgart, a.a.O.). Der Senat ist daher mit anderen Obergerichten der Auffassung, dass eine vergleichsweise Titulierung der Geschäftsgebühr im Regelfall nur angenommen werden kann, wenn der Vergleich eine ausdrückliche Regelung enthält, der sich entnehmen lässt, in welcher Höhe die Geschäftsgebühr im Vergleichswege tituliert worden ist bzw. in welcher Höhe diese als erfüllt anzusehen ist (vgl. OLG Stuttgart, a.a.O.; OLG Sachsen-Anhalt, AGS 2010, 211, 212). Denn nur in diesem Fall kann auch die hälftige Anrechnung auf die Verfahrensgebühr betragsmäßig vorgenommen werden.
Zudem hat das OLG Karlsruhe (a. aO.) zu Recht darauf hingewiesen, dass die Gleichstellung der Abgeltungswirkung mit einer Titulierung zu einer von den Parteien nicht gewollten Veränderung der getroffenen Kostenregelung ...