Entscheidungsstichwort (Thema)
Gemeinsame Sorge der nicht verheirateten Eltern
Leitsatz (amtlich)
Bis zur Neuregelung des § 1672 Abs. 1 BGB ist aufgrund der vorläufigen Anordnung des BVerfG auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge oder ein Teil der elterlichen Sorge auf die unverheirateten Eltern gemeinsam zu übertragen, soweit zu erwarten ist, dass dies dem Kindeswohl entspricht (BVerfG Beschl. v. 21.7.2010 - 1 BvR 420/09 - in Juris).
Bei der vorzunehmenden Prüfung müssen die Belange des Kindes maßgeblich berücksichtigt werden, die Zugangsvoraussetzung zur gemeinsamen Sorge dürfen dabei jedoch nicht zu hoch angesetzt werden. Es entspricht grundsätzlich dem Wohl des Kindes, wenn es in dem Bewusstsein lebt, dass beide Elternteile für es gemeinsam Verantwortung tragen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Kind zu beiden Elternteilen eine gute Beziehung hat bzw. wenn sich beide um das Kind kümmern und Kontakte mit ihm pflegen (wollen).
Eine gemeinsame elterliche Sorge kann allerdings dann untunlich erscheinen, wenn zwischen den Eltern ein Mindestmaß an Übereinstimmung fehlt, wenn sie weder kooperationsfähig noch kooperationsbereit sind (vgl. OLG Brandenburg FamRZ 2011, 1662, 1663, Beschl. v. 22.3.2011 - 10 UF 2/11).
Ergeben sich Unstimmigkeiten bei der Ausübung des Umgangsrechts und den Vorstellungen der Kindeseltern, wo das Kind seinen Lebensmittelpunkt haben soll, liegen aber andererseits genügend Anhaltspunkte dafür vor, dass die Kindeseltern trotz dieser Schwierigkeiten, in der Lage sind sozial miteinander zu kommunizieren und wesentliche Belange der Kinderbetreuung und -erziehung gemeinsam zu regeln, kann es angezeigt sein, Telbereiche der elterlichen Sorge - hier das Aufenthaltsbestimmungsrecht - auf einen Elternteil allein zu übertragen und im Übrigen die gemeinsame Sorge anzuordnen.
Normenkette
BGB § 1672 Abs. 1, § 1626a
Verfahrensgang
AG Brühl (Beschluss vom 18.10.2011; Aktenzeichen 33 F 193/11) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde wird der am 18.10.2011 verkündete Beschluss des AG - Familiengericht - Brühl - 33 F 193/11 - teilweise dahin abgeändert, dass unter Zurückweisung des Rechtsmittels und des weiter gehenden Antrages im Übrigen mit Ausnahme des Aufenthaltsbestimmungsrechtes, welches allein bei der Kindesmutter verbleibt, die elterliche Sorge auf die Kindeseltern gemeinsam (Antragsteller und Antragsgegnerin) übertragen wird.
Die Kosten des gesamten Sorgerechtsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
2. Der Antragsgegnerin wird zur Rechtsverteidigung im Beschwerdeverfahren des Antragstellers ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt M. in I. bewilligt.
Gründe
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers hat auch in der Sache überwiegend insoweit Erfolg, als mit Ausnahme des bei der Kindesmutter verbleibenden Aufenthaltsbestimmungsrechts die übrigen Teilbereiche der elterlichen Sorge auf die Kindeseltern gemeinsam zu übertragen waren.
Der Antragsteller strebt die gemeinsame elterliche Sorge mit der Antragsgegnerin für ihr gemeinsames am 3.00.2009 geborenes nichteheliches Kind H. an. Bezüglich des weiter gehenden Sachverhaltes kann zunächst auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses (Bl. 87, 88 GA) verwiesen werden. Nach der Trennung der Kindeseltern im Februar 2010 kam es recht bald zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den Kindeseltern bezüglich einer Umgangsregelung. Unter Vermittlung des Jugendamtes konnte im Sommer 2010 zunächst eine Umgangsregelung einvernehmlich erreicht werden. Allerdings ist seit Ende 2010 zwischen den Kindeseltern erneut ein Streit darüber entstanden, ob die gemeinsame Tochter ausreichend vom Antragsgegner versorgt wird. So ist bis heute keine Beruhigung im Hinblick auf die Umgangsrechte des Antragstellers eingetreten. Die Kindeseltern werfen sich insoweit wechselseitig Nachlässigkeit in der Versorgung der Tochter vor. Nach Mitteilung des Verfahrensbeistandes vom 7.2.2012 (Bl. 144 GA) hat der Kindesvater trotz bestehender Umgangsrechtsvereinbarung nunmehr erneut beim Familiengericht in Brühl ein Umgangsrechtsverfahren anhängig gemacht.
Der Kindesvater ist beschwerdeberechtigt nach § 59 Abs. 1 FamFG. Denn auch als Vater eines nicht in einer Ehe geborenen Kindes hat er das Recht, die Übertragung der elterlichen Mitsorge für dieses Kind auf sich zu beantragen (vgl. BVerfG FamRZ 2010, 1403). Auch im Übrigen bestehen keine Bedenken gegen die Zulässigkeit des Antrags und der Beschwerde.
Die Beschwerde ist auch überwiegend begründet. Dem Antragsteller ist die in obigem Rahmen eingeschränkte Mitsorge für die gemeinsame Tochter zu übertragen. Bis zur Neuregelung des § 1672 Abs. 1 BGB ist aufgrund der vorläufigen Anordnung des BVerfG auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge oder ein Teil der elterlichen Sorge auf die unverheirateten Eltern gemeinsam zu übertragen, soweit zu erwarten ist, dass dies dem Kindeswohl entspricht (BVerfG Beschl. v. 21.7.2010 - 1 BvR 420/09 - in Juris).
Bei der vorzunehmenden Prüfung müssen die Belange des Kindes maßgeblich berück...