Leitsatz (amtlich)
Werden die Parteien im Scheidungsverfahren gem. § 613 Abs. 1 S. 2 ZPO von Amts wegen zum Sorgerecht angehört, ohne dass ein Antrag auf Übertragung der elterlichen Sorge gestellt oder ein von Amts wegen eingeleitetes sorgerechtliches Verfahren anhängig ist, so erhöht dies weder den Streitwert des Verfahrens noch wird eine gesonderte Beweisgebühr ausgelöst.
Normenkette
BRAGO § 31 Abs. 1 Nr. 3; ZPO § 613 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
AG Aachen (Entscheidung vom 26.05.2003; Aktenzeichen 28 F 219/02) |
Tenor
Die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin gegen den Beschluss des AG – FamG – Aachen vom 26.5.2003 – 28 F 219/02 – wird zurückgewiesen.
Gründe
Die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin erstreben, dass der Gesamtstreitwert für ein Scheidungsverbundverfahren um den Streitwert für eine Beweisgebühr zur elterlichen Sorge erhöht wird, nachdem die Parteien gem. § 613 Abs. 1 S. 2 ZPO zur elterlichen Sorge angehört worden sind, ohne dass Anträge hierzu gestellt worden sind. Nachdem das AG die antragsgem.e Festsetzung verweigert hat, verfolgen die Verfahrensbevollmächtigten mit ihrem Rechtsmittel ihr Begehren weiter.
Das eingelegte Rechtsmittel ist gem. 25 Abs. 3 GKG statthaft und auch i.Ü. zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das AG hat die Festsetzung eines Streitwerts für die Anhörung zur elterlichen Sorge zu Recht verweigert. Die Anhörung nach § 613 Abs. 1 S. 2 ZPO löst keinen Gebührentatbestand aus, so dass ein Rechtsschutzinteresse für die beantragte Streitwertfestsetzung nicht besteht.
Allerdings ist umstritten, ob die Anhörung zur elterlichen Sorge eine anwaltliche Beweisgebühr entfallen lässt und den Gesamtstreitwert erhöht, wenn ihr weder ein Antrag auf Übertragung der elterlichen Sorge noch ein von Amts wegen eingeleitetes sorgerechtliches Verfahren zugrundeliegt, oder ob dies den Streitwert nicht beeinflusst (bejahend OLG Koblenz v. 8.6.1999 – 13 WF 326/99, OLGReport Koblenz 1999, 421 = FamRZ 2000, 626; FamRZ 2001, 1390; KG JurBüro 1999, 634; verneinend die inzwischen wohl h.M., u.a. OLG Stuttgart FamRZ 2000, 507; v. 24.2.1999 – 18 WF 59/99, FamRZ 2000, 1383 f.; OLG Hamm v. 17.8.2000 – 6 WF 115/00, FamRZ 2001, 509; FamRZ 2001, 694; OLG Frankfurt v. 29.9.2000 – 6 WF 86/00, FamRZ 2001, 506; OLG Koblenz v. 8.6.2000 – 9 WF 206/00, FamRZ 2001, 509; Zöller/Philippi, ZPO, 23. Aufl., § 613 ZPO Rz. 15, jew. m.w.N.). Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an und hält an der in einem Einzelfall (OLG Köln v. 16.3.2000 – 10 WF 39/00, FamRZ 2000, 1383) geäußerten abweichenden Ansicht nicht fest.
Maßgeblich hierfür ist zum einen der Umstand, dass das Entfallen einer Beweisgebühr in einer nicht anhängigen Sache dem Gebührenrecht fremd ist (vgl. hierzu Müller/Rabe, FamRZ 2000, 137 [138]). Zum andern hat die Anhörung nach § 613 Abs. 1 S. 2 ZPO nach ihrem Inhalt und nach ihrer Zielsetzung nichts mit einer Beweisaufnahme zu tun. Sie dient vielmehr allein der Belehrung der Eltern und der Prüfung, ob auf Grund einer Gefährdung des Kindeswohls von Amts wegen ein Sorgerechtsverfahren einzuleiten ist.
Vor dem genannten Hintergrund vermögen auch die Gesetzesmaterialien eine abweichende Auffassung nicht zu rechtfertigen. Wenn es in der Begründung des Bundesratsentwurfs (BT-Drucks. 13/4899, 161) heißt, die Erweiterung der richterlichen Anhörung um die elterliche Sorge begründe über die Gebühr nach § 31 Abs. 1Nr. 3 BRAGO hinaus keine weiteren anwaltlichen Gebührenansprüche und erhöhe auch den Streitwert des Verfahrens nicht, so erscheint dies zwar nicht unmissverständlich. Es kann nämlich zum einen bedeuten, dass über die Gebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO, wie sie bereits nach bisherigem Recht vorgesehen ist, also über eine Beweisgebühr für die Anhörung in der Ehesache hinaus, keine Gebühr ausgelöst werde. Es könnte aber auch gemeint sein, dass auch für die Anhörung zur elterlichen Sorge § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO einschlägig sei. Die oben angeführten Gründe – Systemwidrigkeit einer Beweisgebühr außerhalb eines anhängigen Verfahrens sowie nach Ziel und Inhalt fehlende Nähe zu einer Beweisaufnahme – sprechen indes für die erstgenannte Auslegung. Hierfür spricht überdies der Hinweis am Ende des zitierten Satzes aus den Gesetzesmaterialien. Danach erhöht die richterliche Anhörung zur elterlichen Sorge den Streitwert des Verfahrens nicht. Erfiele aber eine Beweisgebühr, so würde dies notwendigerweise den Streitwert jedenfalls im Hinblick auf die Beweisgebühr erhöhen (vgl. insoweit auch Müller/Rabe, FamRZ 2000, 137 [139]).
Schließlich erscheint das gefundene Ergebnis auch sachgerecht: Da die Anhörung zur elterlichen Sorge nach § 613 Abs. 1 S. 2 ZPO für den Anwalt nicht mit nennenswertem Aufwand verbunden ist, ist es angemessen, die Parteien insoweit nicht mit einer zusätzlichen Gebühr zu belasten.
Steglich Hamm Bauer
Fundstellen
Haufe-Index 1107558 |
MDR 2004, 417 |
OLGR Köln 2003, 351 |