Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbliches Ausmaß
Leitsatz (amtlich)
Der Senat hält entgegen der Auffassung des OLG München (Beschl. v. 26.7.2011 - 29 W 1268/11) an seiner Rechtsprechung fest, wonach das öffentliche Zugänglichmachen einer geschützten Datei in einer sog. Internettauschbörse nicht ohne Hinzutreten weiterer Umstände als Rechtsverletzung in gewerblichem Ausmaß angesehen werden kann, wie sie für die richterliche Gestattung der Verwendung von Verkehrsdaten bei der Providerauskunft erforderlich ist. Soweit es dafür auf die Fortdauer der relevanten Verwertungsphase ankommt, endet diese bei Filmen (für die betreffende Nutzungsart) im Zweifel spätestens nach sechs Monaten.
Normenkette
UrhG § 101
Verfahrensgang
LG Köln (Beschluss vom 26.08.2011; Aktenzeichen 207 O 213/11) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 18. Zivilkammer des LG Köln vom 26.8.2011 - 207 O 213/11 - wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
Die zulässige Beschwerde, mit der sich die Antragstellerin dagegen wendet, dass die Kammer es abgelehnt hat, der Beteiligten eine Auskunftserteilung unter Verwendung von Verkehrsdaten in Bezug auf Internetanschlüsse zu gestatten, von denen aus Ende Juli 2011 ein von der Antragstellerin seit Mai 2009 vertriebener pornografischer Film öffentlich zugänglich gemacht wurde, bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der Senat tritt den eingehend und sorgfältig begründeten Erwägungen des LG in der angefochtenen Entscheidung und im Beschluss vom 23.9.2011 bei. Danach kann hinsichtlich des Films die zum Erlass der begehrten Anordnung (§ 101 Abs. 9 UrhG) erforderliche Rechtsverletzung in gewerblichem Ausmaß (§ 101 Abs. 1 UrhG) nicht angenommen werden. Schon aus verfassungsrechtlichen Gründen ist darunter eine Rechtsverletzung von einigem Gewicht (vgl. BVerfGE 125, 260 [Rz. 261] - Vorratsdatenspeicherung) zu verstehen, die sich entweder aus der Anzahl oder aus der Schwere des inkriminierten Verhaltens ergeben kann (§ 101 Abs. 1 S. 2 UrhG). Für das Zugänglichmachen einer geschützten Datei unter einer dynamischen IP-Adresse im Rahmen eines Filesharing-Netzwerks (einer sog. Internettauschbörse) hat der Senat - wie vom LG zutreffend ausgeführt - ergänzende Kriterien entwickelt und im nachfolgend auszugsweise wiedergegebenen Beschluss vom 27.12.2010 (GRUR-RR 2011, 85 [86] - Männersache) wie folgt zusammengefasst:
"1. (...) Das Angebot eines einzelnen urheberrechtlich geschützten Werks im Internet in einer sog. Tauschbörse kann das geschützte Recht in einem gewerblichen Ausmaß verletzen. Denn der Rechtsverletzer hat es - auch wenn sich sein Angebot nur auf einen kurzen Zeitraum beschränkt haben mag - nicht mehr in der Hand, in welchem Umfang das Werk weiter vervielfältigt wird. Gerade in der weiteren Vervielfältigung liegt aber der Sinn und Zweck sog. Tauschbörsen im Internet (vgl. OLG Köln, GRUR-RR 2009, 9 [11]; MMR 2009, 334). Der Gesetzgeber hat jedoch - wie sich aus der Gesetzesentstehung ergibt (vgl. die Begründung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/8783, 50) - bewusst nicht jede Rechtsverletzung für einen Auskunftsanspruch genügen lassen, sondern einen besonders schwerwiegenden Eingriff in die Rechte des Urhebers verlangt. Damit ist sichergestellt, dass die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in die verfassungsrechtlich geschützten Rechte des Dritten (Art. 10 GG) durch die Erteilung der Auskunft gewahrt ist (vgl. Senat, Beschl. v. 26.7.2010 - 6 W 98/10).
Ein derart schwerer Eingriff kann sich zunächst daraus ergeben, dass ein Rechtsverletzer eine Vielzahl urheberrechtlich geschützter Werke öffentlich zugänglich macht. Dies lässt sich allerdings ohne die erst noch zu erteilende Auskunft des Internetproviders nicht feststellen, so dass hierauf ein Auskunftsanspruch praktisch nicht gestützt werden kann.
Eine Rechtsverletzung in gewerblichem Ausmaß kann bei Vorliegen besonderer Umstände auch dann vorliegen, wenn ein einziges urheberrechtlich geschütztes Werk im Internet zum herunterladen angeboten wird.
Ein gewerbliches Ausmaß kann sich zunächst aus dem hohen Wert des angebotenen Werks ergeben (vgl. Senat, Beschl. v. 3.11.2008 - 6 W 136/08, für ein Computerprogramm, dessen aktuelle Version 499 EUR kostet und für dessen frühere Versionen der Nutzungsberechtigte kostenlose Upgrades zur Verfügung stellt).
Die zweite Fallgruppe besteht darin, dass eine hinreichend umfangreiche Datei innerhalb ihrer relevanten Verwertungsphase öffentlich zugänglich gemacht wird (vgl. Senat, GRUR-RR 2009, 9 [11] - Ganz anders; Beschl. v. 21.7.2010 - 6 W 79/10; ebenso OLG Schleswig, GRUR-RR 2010, 239 [240]; für kurz nach der Erstveröffentlichung angebotene Dateien im Ergebnis ebenso OLG Frankfurt, GRUR-RR 2009, 15 [16]; OLG Karlsruhe, GRUR-RR 2009, 379 [381]; OLG Hamburg, NJOZ 2010, 1222 [1223]; anders für einmalige Download-Angebote OLG Zweibrücken, GRUR-RR 2009, 12 [13]; OLG Oldenburg MMR 2009, 188 [189]).
Ei...