Entscheidungsstichwort (Thema)

Beiordnung eines auswärtigen Rechtsanwalts im Rahmen der Prozesskostenhilfe ohne Beschränkung auf die Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts

 

Leitsatz (amtlich)

1. Auch in einfachen Scheidungsverfahren ist das persönliche Beratungsgespräch einer Partei mit ihrem Prozessbevollmächtigten zur Wahrnehmung der berechtigten Interessen der Partei erforderlich.

2. Ein solches Gespräch ist bei einer Entfernung von 600 km zwischen dem Wohnort der Partei und der Kanzlei eines am Prozessgericht ansässigen Rechtsanwalts unzumutbar und deshalb die Beiordnung eines Verkehrsanwalts i.S.v. § 121 Abs. 3 ZPO erforderlich.

 

Normenkette

ZPO § 121

 

Verfahrensgang

AG Euskirchen (Beschluss vom 11.12.2006; Aktenzeichen 19 F 427/06)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG - FamG - Euskirchen vom 11.12.2006 - 19 F 427/06 - dahin abgeändert, dass die im Rahmen der Beiordnung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin ausgesprochene Beschränkung "zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts" entfällt.

 

Gründe

Durch den in der Beschlussformel näher bezeichneten Beschluss hat das AG - FamG - Euskirchen der Antragstellerin für das von ihr beabsichtigte Scheidungsverfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin F zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts bewilligt. Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Antragstellerin gegen die in der Beiordnung ausgesprochene Einschränkung. Das AG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem OLG zur Entscheidung vorgelegt. Die zuständige Einzelrichterin hat das Verfahren dem Senat übertragen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

Die in formeller Hinsicht unbedenkliche Beschwerde ist begründet. Die angefochtene Einschränkung ist unzulässig. Dies folgt allerdings nicht schon daraus, dass das AG die Einschränkung ohne vorherige Nachfrage angeordnet hat. An dieser bisher von ihm vertretenen Auffassung hält der Senat nicht länger fest, nachdem der BGH die in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage, ob ein Gericht die eingeschränkte Beiordnung zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts ohne Nachfrage bei dem betroffenen Rechtsanwalt anordnen darf, dahin entschieden hat, dass ein Beiordnungsantrag regelmäßig ein konkludentes Einverständnis des Verfahrensbevollmächtigten mit einer dem Mehrkostenverbot des § 121 Abs. 3 ZPO entsprechenden Einschränkung der Beiordnung enthält, vgl. BGH FamRZ 2007, 37. Die angeordnete Einschränkung ist vorliegend jedoch deshalb unzulässig, weil durch die Beiordnung eines auswärtigen Anwalts weitere Kosten nicht entstehen. Wäre die zusätzliche Beiordnung eines Verkehrsanwalts nach § 121 Abs. 4 ZPO gerechtfertigt, darf die Beiordnung eines auswärtigen Anwalts ohne Einschränkung erfolgen, wenn dessen Gesamtkosten (einschließlich Reisekosten) nicht höher liegen als die Kosten eines Anwalts am Gerichtsort plus eines Verkehrsanwalts am Sitz der Partei, vgl. Kalthoener/Büttner/Wrobel/Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 4. Aufl. 2005, Rz. 570 m.w.N.. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Besondere Umstände i.S.v. § 121 Abs. 4 ZPO, die die Beiordnung eines Verkehrsanwalts erfordern, liegen regelmäßig dann vor, wenn die Beiziehung eines Verkehrsanwalts zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung i.S.d. § 91 Abs. 1 ZPO "notwendig" ist, vgl. Kalthoener/Büttner/Wrobel/Sachs, a.a.O., Rz. 578 m.w.N.. Dies ist dann der Fall, wenn der auswärts wohnenden Partei wegen weiter Entfernung zur Kanzlei eines am Prozessgericht ansässigen Prozessbevollmächtigten ein zur Verfolgung ihrer Interessen notwendiges persönliches Beratungsgespräch nicht zumutbar ist und auch eine vermögende Partei die Mehrkosten eines Verkehrsanwalts aufbringen würde. So liegt der Fall hier. Auch in einfach gelagerten Scheidungsfällen hält der Senat das persönliche Beratungsgespräch zur Wahrnehmung berechtigter Interessen der antragstellenden Partei für erforderlich, vgl. insoweit auch OLG Karlsruhe FamRZ 2004, 1298 ff.; ein solches Gespräch mit einem in Euskirchen ansässigen Rechtsanwalt ist der Antragstellerin angesichts ihres über 600 km entfernten Wohnsitzes in Berlin nicht zumutbar. Da die Kosten für einen Verkehrsanwalts vorliegend annähernd gleich hoch sind wie die Reisekosten der beigeordneten auswärtigen Verfahrensbevollmächtigten bestand für deren eingeschränkte Beiordnung kein sachlicher Grund. Nach RVG-VV 3400 erhält der Rechtsanwalt, dessen Auftrag sich auf die Führung des Verkehrs der Partei mit dem Verfahrensbevollmächtigten beschränkt, eine Verfahrensgebühr in Höhe der dem Verfahrensbevollmächtigten zustehenden Verfahrensgebühr, höchstens 1,0. Ausgehend von einem Streitwert von jedenfalls 7.200 EUR würden die Gebühren für einen Verkehrsanwalt einschließlich Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer gem. § 49 RVG insgesamt einen Betrag von rund 302 EUR ausmachen. Die Reisekosten belaufen sich demgegenüber auf rund 208 EUR (Hin- und Rückfahrkarte der Deutschen...

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