Leitsatz (amtlich)
1. Macht im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG der Antragsteller geltend, er sei im vorausgegangenen Verwaltungsverfahren (hier: nach der Hinterlegungsordnung) zu Unrecht als prozessfähig behandelt worden, so ist sein Antrag zulässig, ohne Rücksicht darauf, ob er die sonst für die Prozessfähigkeit erforderlichen Voraussetzungen erfüllt.
2. Ist wegen eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses hinterlegt worden, bestreitet der Schuldner dessen Wirksamkeit und berühmt sich einer eigenen Empfangsberechtigung, so ist er Hinterlegungsbeteiligter i.S.d. §§ 13 Abs. 2, 16 Abs. 1 Hinterlegungsordnung.
3. Voraussetzung einer Fristsetzung nach § 16 Abs. 1 Hinterlegungsordnung ist, dass derjenige, der Herausgabe der Hinterlegungsmasse begehrt, seine Empfangsberechtigung so wahrscheinlich gemacht hat, dass es der Billigkeit entspricht, dem dem Herausgabeverlangen nicht zustimmenden Hinterlegungsbeteiligten die Last aufzuerlegen, wegen seiner angeblichen Berechtigung Klage zu erheben. Ernstliche Zweifel bezüglich der Empfangsberechtigung sind im Prozessweg zu klären, nicht im Hinterlegungsverfahren und auch nicht im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG.
4. Ist der Anspruch des die Herausgabe Verlangenden gegen den Schuldner (auch nur wahrscheinlich) verjährt, hat dieser jedoch (noch) nicht die Verjährungseinrede erhoben, so ist für eine Fristsetzung nach § 16 Abs. 1 Hinterlegungsordnung nur Raum, wenn zu erwarten ist, dass der Schuldner auch in Zukunft die Verjährungseinrede nicht erheben wird.
5. Zur Verjährung von Zinsansprüchen nach rechtskräftiger Titulierung der Forderung.
6. Unwirksam ist die Abtretung mehrerer Forderungen i.H.e. Teilbetrags, wenn nicht erkennbar ist, auf welche Forderungen bzw. Teilforderungen sie sich bezieht. Dagegen erfasst die Pfändung mehrerer Forderungen des Schuldners bis zur Höhe der zu vollstreckenden Schuld jede der gepfändeten Forderungen bis zur Höhe der Schuld; der Gläubiger muss eine Verteilung auf die gepfändeten Forderungen nicht vornehmen.
7. Zum Einwand der Prozessunfähigkeit des Schuldners in der Zwangsvollstreckung und im Hinterlegungsverfahren.
Normenkette
EGGVG § 23ff; Hinterlegungsordnung §§ 13, 16
Tenor
1. Der Beschluss des Antragsgegners vom 7.8.2001 – 386 – 48 LG Bonn – wird aufgehoben, soweit er die Beteiligten zu 1) und 2) betrifft. Aufgehoben werden ferner die an die Beteiligte zu 2) gerichtete Verfügung des AG Bonn vom 3.9.2000 und die an den Beteiligten zu 1) gerichtete Verfügung des AG Bonn vom 7.12.2000 – 14 HL 261/85.
2. Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Der Beteiligte zu 1) betrieb in den 80iger Jahren in B. ein Immobiliengeschäft. Unter anderem übernahm er Funktionsträgeraufgaben für verschiedene Bauherrengemeinschaften, darunter die des Grundstücks J.-Straße 7 in B. Mit den Bauherrn dieses Grundstücks schloss er im August 1985 einen Vergleich (Blatt 10 ff. der beigezogenen Hinterlegungsakte 14 HL 261/85 AG Bonn). Da die ihm danach zustehende Forderung von ihm mehrfach abgetreten worden war, unter anderem am 5.5.1984 i.H.v. insgesamt 118.400 DM an die Beteiligte zu 2) (Blatt 28, 29 a.a.O.), und mehrere Gläubiger Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse erwirkt hatten, unter anderem der Beteiligte zu 4) am 31.10.1984 aufgrund eines Vollstreckungsbescheids vom 10.10.1984 (Blatt 351 a.a.O.) wegen eines Betrages von 110.000 DM nebst 6 % Zinsen vom 6.6. bis 30.6.1984 und 12 % Zinsen seit dem 1.7.1984 und Kosten (Blatt 179 a.a.O.), hinterlegten die Bauherrn der Bauherrengemeinschaft J.-Straße 7 im Herbst 1985 unter Rücknahmeverzicht 260.376,19 DM. Als mögliche Empfangsberechtigte bezeichneten sie unter anderem die Beteiligten zu 1), 2) und 4) (Blatt 1, 38, 39 a.a.O.). Nach der Hinterlegung erwirkten mehrere weitere Gläubiger Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse bezüglich des – angeblichen – Auszahlungsanspruchs gegen die Hinterlegungsstelle.
Im Juli 1999 beantragte der Beteiligte zu 4) an sich die Auszahlung von 110.000 DM nebst 6 % Zinsen vom 6.7.1984 bis 30.7.1984 und 12 % Zinsen seit dem 1.7.1984 zuzüglich Kosten (Blatt 172 a.a.O.). Mit dem Antrag beziehungsweise in der Folgezeit legte er Freigabeerklärungen verschiedener Prätendenten vor, nicht jedoch der Beteiligten zu 1) und 2).
Mit Verfügung vom 3.9.2000 (Blatt 249 ff. a.a.O.) teilte das AG verschiedenen Prätendenten, unter anderem der Beteiligten zu 2), mit, dass der Beteiligte zu 4) die Herausgabe der hinterlegten 260.376,19 DM beantragt habe, und setzte ihnen gem. § 16 Hinterlegungsordnung eine Frist von 4 Wochen ab Rechtskraft der Verfügung, innerhalb derer die Erhebung der Klage wegen ihrer Ansprüche an der Hinterlegungsmasse nachzuweisen sei, anderenfalls die Freigabe zugunsten des Beteiligten zu 4) als bewilligt gelte. Hiergegen wandte sich (u.a.) die Beteiligte zu 2) und beantragte gleichzeitig die Herausgabe von 118.400 DM an sich (Blatt 270 ff. a.a.O.).
Mit Schreiben vom 8.11.2000 (Blatt 303 a.a.O.) teilte der Beteiligte zu 1) dem AG ...