Entscheidungsstichwort (Thema)

Ablehnung des Richters wegen Besorgnis der Befangenheit ("Rotzen ins Diktaphon")

 

Leitsatz (amtlich)

1. Es stellt vom - maßgeblichen - Standpunkt einer ruhig und vernünftig wägenden Partei keinen Grund für Zweifel an der Unparteilichkeit des Richters dar, wenn dieser sich im Vergleichsgespräch auch nach der finanziellen Darstellbarkeit einer angedachten Regelung erkundigt und auf die mit einer Fortsetzung der streitigen Auseinandersetzung in mehreren Instanzen verbundenen Kosten hinweist.

2. Ob eine "flapsige" Bemerkung eines Richters in der mündlichen Verhandlung (hier: die Äußerung, für den von der Auffassung der Richter letzten Instanz abhängigen Ausgang des Rechtsstreits sei es "egal, welche Entscheidung der Richter der ersten Instanz in sein Diktaphon hineinrotzen" werde) einen Ablehnungsgrund bildet, hängt von den Umständen des konkreten Falls und dem Kontext ab, in dem diese Äußerung gefallen ist.

3. Allein durch eine eigene Schilderung der - nach § 44 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz ZPO zur Versicherung an Eides statt nicht zugelassenen - Partei kann der das Ablehnungsgesuch tragende Sachverhalt nicht glaubhaft gemacht werden.

 

Normenkette

ZPO §§ 42, 44, 278 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Bonn (Beschluss vom 19.11.2007; Aktenzeichen 7 O 96/06)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 27.11.2007 gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des LG Bonn vom 19.11.2007 - 7 O 96/06 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Beklagten zu tragen.

 

Gründe

Mit Schriftsatz vom 15.10.2007 haben die Beklagten erklärt, der Einzelrichter des LG, Herr Vorsitzender Richter am LG X, werde wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Dieses Ablehnungsgesuch hat die Zivilkammer des LG durch Beschluss vom 19.11.2007 zurückgewiesen. Dagegen wenden sich die Beklagten mit der sofortigen Beschwerde vom 27.11.2007. Durch Beschluss vom 7.12.2007 hat das LG der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.

Das gem. § 46 Abs. 2 ZPO statthafte, in rechter Form und Frist eingelegte Rechtsmittel ist nicht begründet. Durch den angefochtenen Beschluss hat das LG das Ablehnungsgesuch der Beklagten zu Recht und mit zutreffender Begründung, die sich der Senat zu eigen macht und auf die er deshalb auch zur Begründung seiner vorliegenden Beschwerdeentscheidung Bezug nimmt, zurückgewiesen. Das Vorbringen der Beschwerde veranlasst keine abweichende Entscheidung.

Gemäß § 42 Abs. 1 ZPO kann ein Richter u.a. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Sie ist nach § 42 Abs. 2 ZPO gegeben, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Hierfür ausreichend, aber auch erforderlich ist nach allgemeiner Auffassung und insbesondere ständiger Rechtsprechung ein Sachverhalt, der aus der Sicht des Ablehnenden einer ruhig und vernünftig denkenden Partei bei Würdigung aller Umstände berechtigten Anlass gibt, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (vgl. BVerfGE 82, 30 [38]; BVerfGE 92, 138 [139]; BGHZ 77, 70 [72]; BGH, NJW 1995, 1677 [1679]; BGH NJW-RR 2003, 1220 [1221]; BGH FamRZ 2006, 1440; OLG Brandenburg NJW-RR 2000, 1091; Thomas/Putzo/Hüsstege, ZPO, 28. Aufl. 2007, § 42 Rz. 9; Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 42 Rz. 9). Hierauf hat das LG zutreffend abgestellt; die Einwendungen der Beschwerde dagegen, dass es seiner Beurteilung als Maßstab die nach allgemeiner Auffassung maßgebliche Sicht einer ruhig und vernünftig wägenden Partei zugrunde gelegt hat, gehen deshalb fehl. Der Ablehnungsgrund, das heißt der Sachverhalt, der aus dieser Sicht die Besorgnis der Befangenheit begründet, ist nach § 44 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 ZPO glaubhaft zu machen.

Hiernach sind, wie das LG zutreffend ausgeführt hat, die Voraussetzung einer Ablehnung von Herrn Vorsitzenden Richter am LG X wegen der Besorgnis der Befangenheit im Streitfall nicht erfüllt. Der durch die dienstliche Erklärung des abgelehnten Richters vom 18.10.2007 nach § 44 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 ZPO glaubhaft gemachte Sachverhalt rechtfertigt die Ablehnung nicht. Ihre teilweise abweichende Darstellung des Sachverhalts haben die Beklagten nicht, wie nach § 44 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 ZPO erforderlich, glaubhaft gemacht.

Aus Rechtsgründen hier unerheblich sind die ausführlichen Darlegungen der Beschwerdeschrift vom 27.11.2007 zu dem Verhalten und den Äußerungen des abgelehnten Richters in einem früheren Verhandlungstermin am 11.7.2006. Denn nach § 43 ZPO kann eine Partei einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen, wenn sie sich bei ihm in eine Verhandlung eingelassen hat oder Anträge gestellt hat, ohne einen ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen. Im Termin vom 10.10.2007 hat Rechtsanwalt Dr. I namens der Beklagten einen Antrag auf Klageabweisung gestellt. In diesem Zeitpunkt war den Beklagten, die ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 11.7.2006 beide selbst in diesem Termin anwesend waren, bekannt, was der abgeleh...

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