Entscheidungsstichwort (Thema)
Völliger Ausschluss des persönlichen Umgangs bei entgegenstehendem Kindeswillen
Leitsatz (amtlich)
Bestehen beachtenswerte Gründe des Kindes, einen Umgang mit seinem Vater ernsthaft abzulehnen, darf gegen den erklärten Kindeswillen ein Umgang mit dem Vater nicht angeordnete werden, da dies die seelische Entwicklung des Kindes gefährden würde und mit dem Persönlichkeitsrecht von ihm nicht vereinbar wäre (vgl. u.a. OLGReport Hamm 2009, 505 bis 507).
Würde man der nachvollziehbaren und beachtenswerten Willensäußerung eines fast 15-jährigen Kindes nicht die notwendige Beachtung schenken, müsste dies nahezu zwangsläufig zu einer Gefährdung seiner seelisch-geistigen Entwicklung führen, da dieses es als deutliche Verletzung seiner Persönlichkeit empfinden müsste, würde man dem von ihm geäußerten Willen nicht folgen.
Das schließt die Bewilligung brieflicher Kontakt zwischen Vater und Sohn nicht zur vorsichtigen Verbesserung der Vater-Kind-Beziehung nicht aus, soweit der Kindeswille dem nicht entgegensteht.
Normenkette
BGB §§ 1684, 1696
Verfahrensgang
AG Bonn (Beschluss vom 16.11.2009; Aktenzeichen 41 F 364/07) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels und des weitergehenden Umgangsrechtsantrages im Übrigen der Beschluss des AG - Familiengericht - Bonn vom 16.11.2009 - 41 F 364/07 - dahin abgeändert, dass
1. das persönliche Umgangsrecht des Antragstellers zunächst bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres von I. ausgeschlossen wird und
2. dem Antragsteller erlaubt wird, mit seinem Sohn I. einmal monatlich in brieflichen Kontakt zu treten und zu den Geburtstagen und Festtagen (Weihnachten, Ostern und Pfingsten) Geschenke zu übermitteln.
Bezüglich der I. Instanz verbleibt es bei der amtsgerichtlichen Kostenentscheidung.
Im Beschwerdeverfahren werden Auslagen nicht erstattet. Die Gerichtskosten tragen der Antragsteller und die Antragsgegnerin je zur Hälfte.
Gründe
Die gem. § 621e ZPO zulässige - insbesondere fristgerecht eingelegte - befristete Beschwerde des Antragstellers hat in der Sache nur zu einem geringen Teil Erfolg, nämlich insoweit als das persönliche Umgangsrecht zunächst nur bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres ausgeschlossen und dem Antragsteller die Möglichkeit gegeben wird, nach Vollendung des 16. Lebensjahres erneut überprüfen zu lassen, ob es bei dem Ausschluss bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres verbleiben muss. Darüber hinaus ist dem Antragsteller zu gestatten, einmal monatlich in brieflichen Kontakt zu seinem Sohn zu treten und diesem zu Geburtstagen, Weihnachten, Ostern und Pfingsten Geschenke in üblichem Umfange zu übermitteln.
Bedenken, ob der vom Antragsteller verfahrenseinleitend gestellte Umgangsrechtsantrag überhaupt zulässig war, können deswegen dahinstehen, weil dieser Antrag, auf Einräumung eines unbegleiteten Umgangsrechtes jedenfalls unbegründet ist.
Zweifel an der Zulässigkeit des verfahrenseinleitend gestellten Antrages sind deswegen geboten, weil bereits eine Umgangsregelung besteht und der Antragsteller grundsätzlich nur unter den Voraussetzungen des § 1696 Abs. 1 Satz 1 BGB eine Abänderung der bestehenden Umgangsrechtsregelung verlangen kann. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn die Änderung aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt ist. Solche Abänderungsgründe hat der Antragsteller vorliegend kaum dargetan. Vielmehr führt das vorliegende Verfahren, in welchem eine dem Kindeswohl entsprechende Entscheidung zu treffen ist und alle Umstände, die für diese Entscheidung entscheidend sind, von Amts wegen berücksichtigt werden müssen, dazu, dass letztlich das dem Antragsteller in dem Vorverfahren 22 F 199/01 AG Düren = 26 UF 91/02 OLG Köln zu gebilligte begleitete Umgangsrecht in dem tenorierten Umfang weitergehend auszuschließen war.
In seiner Beschwerdeentscheidung vom 9.9.2002 hat der 26. Zivilsenat des OLG Köln als Familiensenat zur Bestätigung des erstinstanzlich eingeräumten begleiteten Umgangsrechtes für den hiesigen Antragsteller (im dortigen Verfahren Antragsgegner) ausgeführt, dass die Ausübung eines ungeschützten geregelten Umgangsrechtes, das der Antragsgegner erstrebe, derzeit nicht verantwortet werden könne. Der Gutachter halte dies für nicht vertretbar. Der Senat schließe sich dem in Übereinstimmung mit den Vertretern des Jugendamtes und dem Verfahrenspfleger an. Abgesehen davon lehne der Sohn I. momentan jegliche Kontaktaufnahme - auch eine solche mit den ihm angebotenen Sicherungsmaßnahmen im geschützten Bereich - kategorisch ab. Er gebe zwar an, dass er keine Angst vor dem Vater habe, dass dieser aber "so komische Wörter" gesagt habe. Nach dem Eindruck des Senates entziehe sich I. mit seiner Verweigerung der enormen emotionalen Belastung, die die unstreitigen Äußerungen des Antragsgegners bei den letzten Besuchskontakten und die besorgten Reaktionen darauf von Seiten der Antragstellerin bei ihm ausgelöst hätten. Die von ihm eingenommene ablehnende Haltung dürfte desha...