Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterlassungsanspruch gegen Zulassung der Prostitutionsausübung
Leitsatz (amtlich)
1. Im Regelfall stellt die Prostitutionsausübung in einer Wohnanlage für die benachbarten Eigentümer einen nicht mehr hinnehmbaren Nachteil dar, der einen Unterlassungsanspruch begründet.
2. Handelt es sich allerdings um eine atypische Anlage, in der beispielsweise keine Familien wohnen, Obdachlose zur Wiedereingliederung untergebracht sind und sich auch in der Umgebung randständige Personen aufhalten, so kann im Einzelfall ein Unterlassungsanspruch unbegründet sein.
Normenkette
WEG § 14
Verfahrensgang
LG Köln (Beschluss vom 13.05.2008; Aktenzeichen 29 T 219/07) |
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde der Antragssteller gegen den Beschluss der 29. Zivilkammer des LG Köln vom 13.5.2008 - 29 T 219/07 - wird zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens tragen die Antragsteller.
Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten erfolgt nicht.
Der Geschäftswert beträgt für die Rechtsbeschwerde 7.829,04 EUR.
Gründe
I. Die Antragsgegnerin ist Eigentümerin zweier Wohnungen der genannten Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Antragsteller nehmen die Antragsgegnerin in Anspruch, weil diese ihre zwei Wohnungen an Damen vermietet hat, die dort der Prostitution nachgehen. Die Mieterinnen als Callgirls verabreden sich telefonisch mit den Freiern. Die Antragsteller verlangen, dass die Antragsgegnerin diese Wohnungsnutzung unterlässt; ferner beantragen sie Erstattung angefallener Detekteikosten. Die Gemeinschaftsordnung dieser Wohnanlage sieht u.a. vor, dass die Ausübung eines Gewerbes oder Berufes in einer Wohnung der Zustimmung des Verwalters bedarf, die dieser nur aus wichtigem Grund, insbesondere bei einer unzumutbaren Beeinträchtigung, verweigern darf. Beide Vorinstanzen haben - unter verschiedenen Gesichtspunkten - die Anträge abgelehnt. In dem Verfahren der weiteren Beschwerde verfolgen die Antragsteller ihr ursprüngliches Begehren weiter.
II. Die in formeller Hinsicht unbedenkliche sofortige weitere Beschwerde ist nicht begründet.
Die Entscheidung des LG ist aus Rechtsgründen, die allein Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens sein können (§ 27 FGG i.V.m. 546 ZPO), im Ergebnis nicht zu beanstanden. Aufgrund des festgestellten Sachverhalts haben AG und LG zu Recht den Unterlassungs- wie den Zahlungsanspruch verneint.
Im Regelfall wird für eine Anlage, in der sich Wohnungseigentumseinheiten befinden, ganz überwiegend angenommen, dass die bloße Tatsache der Prostitutionsausübung für die benachbarten Wohnungseigentümer einen nicht mehr hinnehmbaren Nachteil darstellt, weil dieser Umstand den Wert der Wohnung und damit die Preisbildung negativ beeinflusse (OLG Hamburg, ZMR 2005, 644; OLG Frankfurt, NZM 2004, 950).
Vorliegend handelt es sich indes um eine Wohnanlage, die nicht den Ansprüchen typischer Mehrfamilienwohnanlagen entspricht, vielmehr verschiedene Besonderheiten hinsichtlich ihrer Nutzung und Lage aufweist Dies hat zur Folge, dass die Ausübung der Prostitution an sich noch keine unzumutbare Beeinträchtigung der übrigen Wohnungseigentümer darstellt. Hierzu hat das AG zutreffend auf verschiedene, von ihm fehlerfrei festgestellte Besonderheiten verwiesen. So besteht die Anlage aus 70 Einzimmerwohnungen, die überwiegend etwa 23 - 24 qm groß sind. Familien mit Kindern wohnen dort nicht. Mindestens fünf Wohnungen werden von einer karitativen Einrichtung genutzt, um dort im Wechsel Obdachlose zur Wiedereingliederung für einige Monate unterzubringen. Dass darunter auch Personen sind, die Alkohol- oder Drogenprobleme haben, wird auch von der Antragstellerseite nicht in Abrede gestellt. Ferner befindet sich in der Anlage eine Wohngemeinschaft mit jugendlichen Drogensüchtigen. Die Wohnanlage liegt an einer Straße der Stadt L., in der auch randständige Menschen Unterkunft finden. Bei einer Gesamtschau dieser Umstände werden allein durch die Ausübung der Prostitution in zwei Wohnungen, wenn wie hier die Verabredungen mit den Freiern telefonisch erfolgen - "Callgirls, der Wohnwert und der wirtschaftliche Wert der übrigen Wohnungen der Wohnanlage nicht erheblich beeinträchtigt. Durch die geschilderte sonstige Nutzung und die Lage der Wohnanlage entspricht diese nicht den Anforderungen an übliche Mehrfamilienwohnanlagen, sondern ist -jedenfalls derzeit - auf andere Bedürfnisse zugeschnitten. Diese Sachverhaltsfeststellung des AG ist verfahrensfehlerfrei zustande gekommen und lässt keine Mängel in der Beweiswürdigung erkennen.
Eine andere Beurteilung ergäbe sich, wenn durch die Prostitutionsausübung konkrete Beeinträchtigungen der anderen Mieter/Eigentümer verbunden wären, mithin die Ausübung der Prostitution in einer Weise nach außen hervortritt, dass hieran Anstoß genommen werden könnte (vgl. LG Nürnberg-Fürth, NJW-RR 1990, 1355; Staudinger/Kreuzer, BGB, 13. Aufl., § 13 WEG Rz. 57). Dies vermochten die Antragsteller nicht schlüssig darzulegen. Auch nach einem gerichtlichen Hinweis durch die Beschwerdekammer haben...