Verfahrensgang
LG Köln (Entscheidung vom 10.06.2010; Aktenzeichen 203 O 99/10) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 10.6.2010 - 203 O 99/10 - teilweise abgeändert:
Die Verwendung von Verkehrsdaten (§ 3 Nr. 30 TKG) durch die Beteiligte zur Erteilung der Auskunft an die Antragstellerin über Namen und Anschriften derjenigen Nutzer, denen zu den
in der dem Beschluss der Kammer vom 30.03.2010 beigefügten Anlage ASt 1 unter den laufenden Nummern 61 bis 83 (die Hörspiel-CD "Die drei?? Folge 131 - Haus des Schreckens" betreffend)
angegebenen Zeitpunkten die dort aufgeführten IP-Adressen zugeteilt waren, ist zulässig.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Ihre außergerichtlichen Kosten tragen die Beteiligten selbst. Die von der Antragstellerin zu zahlende Beschwerdegebühr wird auf 150,00 € festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragstellerin ist Inhaberin ausschließlicher Verwertungsrechte u.a. an den Tonträgern "AC / DC - Black Ice" (Musikalbum), "Aloha from Hell - No More Days To Waste" (Musikalbum) und "Die drei?? Folge 131 - Haus des Schreckens" (Hörspiel-CD). Sie begehrt die Anordnung der Zulässigkeit der Verwendung von Verkehrsdaten durch die beteiligte Internet-Service-Providerin zum Zweck der Auskunft über die Zuordnung dynamischer IP-Adressen, von denen aus nach ihren Ermittlungen der Inhalt der genannten und weiterer Tonträger in sogenannten Internet-Tauschbörsen zwischen dem 25. und 28.03.2010 ohne ihre Einwilligung zum Herunterladen angeboten wurden. Das Landgericht hat die Anordnung für die genannten Werke abgelehnt, weil es insoweit an einer Rechtsverletzung in gewerblichem Ausmaß fehle. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin.
II. Die gemäß § 101 Abs. 9 Satz 6 UrhG zulässige sofortige Beschwerde hat im Hinblick auf die Hörspiel-CD Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
1. Gegen die Anordnung der Zulässigkeit der Verwendung von Verkehrsdaten gemäß § 101 Abs. 9 UrhG bestehen auch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Nichtigkeit der §§ 113a, 113b TKG vom 02.03.2010 (1 BvR 256/08, 263/08 und 586/08, NJW 2010, 833) keine grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken, da in einem Rechtsstaat das Internet keinen rechtsfreien Raum bilden darf und die Möglichkeit der individuellen Zuordnung von Internetkontakten bei Rechtsverletzungen ein legitimes Anliegen des Gesetzgebers ist, soweit es sich um Verletzungen von einigem Gewicht handelt (BVerfG, a.a.O., Rn. 260; Senat, Beschluss vom 13.04.2010 - 6 W 28/10; Beschluss vom 21.07.2010 - 6 W 79/10). So liegt es nicht nur beim konkreten Verdacht einer vorsätzlichen Straftat nach §§ 106 ff. UrhG, sondern auch bei offensichtlichen Rechtsverletzungen "in gewerblichem Ausmaß" (vgl. zu diesem der Richtlinie 2004/48/EG, Erwägungsgrund 14, entlehnten Merkmal auch des § 101 Abs. 2 UrhG BT-Drs. 16/5048 S. 65; BT-Drs. 16/8783 S. 50; BT-Plenarprot. 16/155 S. 16318 C, 16320 A, 16321 B; Senat, GRUR-RR 2009, 9 - Ganz anders; MMR 2009, 334 - Die schöne Müllerin; OLG Schleswig, GRUR-RR 2010, 239; OLG Hamburg, NJOZ 2010, 1222).
2. Das Landgericht hat seiner sorgfältig und eingehend begründeten Entscheidung zutreffend zu Grunde gelegt, dass die Bestimmung des gewerblichen Ausmaßes der geltend gemachten Rechtsverletzung eine Würdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalles erfordert. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats hat die Kammer angenommen, dass der mit diesem Kriterium bezweckte Ausschluss gutgläubiger Handlungen von Endverbrauchern (Richtlinie 2004/48/EG, Erwägungsgrund 14) bei den hier in Rede stehenden Fallkonstellationen objektiv erfolgen muss, dass es vor allem auf Die Schwere der einzelnen Rechtsverletzung ankommt (weil die Zahl der von einem einzigen Verletzer öffentlich zugänglich gemachten Dateien bei dynamischen IP-Adressen vor erteilter Auskunft kaum feststellbar ist) und dass hierfür (im Anschluss an das im Gesetzgebungsverfahren angeführte Beispiel des Anbietens eines vollständigen Kinofilms oder Musikalbums oder Hörbuchs vor oder unmittelbar nach Veröffentlichung, BT-Drs. 16/8783, S. 50) darauf abgestellt werden muss, ob eine hinreichend umfangreiche Datei innerhalb ihrer relevanten Verkaufs- und Verwertungsphase öffentlich zugänglich gemacht wurde (Senat, a.a.O.; Beschluss vom 04.06.2009 - 6 W 48/09, bei juris; ebenso OLG Schleswig, a.a.O.).
Soweit das OLG Hamburg (a.a.O.) in dem Tatbestandsmerkmal des gewerblichen Ausmaßes eine Bagatellklausel gesehen hat, die geringfügige Rechtsverletzungen ausklammern soll, folgt daraus nicht, dass damit bei für sich genommen keinen besonders hohen wirtschaftlichen Wert verkörpernden Dateien auf das grundsätzliche Erfordernis eines engen zeitlichen Zusammenhangs zur Erstveröffentlichung verzichtet werden kann (in der Entscheidung war ein auf Platz 5 der Albumcharts plaziertes Musikalbum weniger als einen Monat nach seinem Erscheinen zum Herunterladen angeboten worden; vgl. auch OLG Frankfurt/Main, GRUR-RR 20...