Verfahrensgang
LG Aachen (Beschluss vom 06.06.2006; Aktenzeichen 3 T 211/06) |
AG Heinsberg (Aktenzeichen 11 XVII 93/06) |
Tenor
Auf die sofortige weitere Beschwerde der Betroffenen wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des LG Aachen vom 6.6.2006 - 3 T 211/06 - aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen.
Gründe
Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache insoweit Erfolg, als die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Verfahren an das LG zurückzuverweisen ist.
Die Ausführungen des LG, dass die Voraussetzungen für eine Zwangsbehandlung der Betroffenen in Rahmen der medizinischen Unterbringung (§ 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB) vorliegen, sind nicht ohne Rechtsfehler. Es bedarf hierzu weiterer Ermittlungen gem. § 12 FGG.
Das LG hat zutreffend ausgeführt, dass § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB die Zwangsbehandlung einwilligungsunfähiger Betroffener gegen deren natürlichen Willen während der - gerichtlich genehmigten - stationären Unterbringung ermöglicht. Im Bereich der Anlasskrankheit, also der psychischen Krankheit, die zur Betreuerbestellung geführt hat, ist eine Zwangsmaßnahme im Rahmen der Unterbringung zur Heilbehandlung eines Betroffenen, der aufgrund der Erkrankung seinen Willen nicht mehr frei bestimmen kann, allerdings nur zulässig, wenn die beabsichtigte Behandlungsmaßnahme geeignet ist, den gewünschten Behandlungserfolg herbeizuführen und die Nachteile, die ohne die Behandlung entstehen würden, die Schwere der Freiheitsentziehung überwiegen. Für den Bereich einer neuroleptischen Medikation als notwendige Heilbehandlung muss in jedem Einzelfall eine therapeutische Indikation bestehen und der mögliche therapeutische Nutzen der Behandlung gegen die Gesundheitsschäden abgewogen werden, die ohne die Behandlung entstehen würden. Die Erforderlichkeit der Zwangsmaßnahme ist der strengen Prüfung am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu unterziehen, da die Freiheit der Person ein so hohes Rechtsgut darstellt, dass sie nur aus besonders wichtigem Grund angetastet werden darf. Wenn die Unterbringung mit einer Zwangsbehandlung verbunden werden soll, sind in die Güterabwägung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht nur die Unterbringung und ihre Dauer sondern auch der mit der Zwangsbehandlung verbundene Eingriff und dessen Folgen einzubeziehen (BGH v. 1.2.2006 - XII ZB 236/05, MDR 2006, 995 = BGHReport 2006, 657 m. Anm. Locher = NJW 2006, 1277).
Diese Grundsätze hat das LG bei seiner Entscheidung nicht in vollem Umfang beachtet.
Es hat zwar auf der Grundlage des psychiatrischen Gutachtens vom 30.4.2006, der fernmündlichen Ergänzung des Sachverständigen vom 9.5.2006 sowie der ärztlichen - fernmündlichen - Stellungnahme des behandelnden Arztes vom 31.5.2006 konkrete Umstände festgestellt, die die Annahme rechtfertigen, dass die Unterbringung und die beabsichtigte Zwangsmedikation für die Heilbehandlung der Betroffenen unumgänglich sind, um eine drohende gewichtige gesundheitliche Schädigung von ihr abzuwenden und dass die Betroffene sich krankheitsbedingt nicht zu dieser Behandlung entschließen kann. Zwecks Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die zutreffenden Gründe der Beschwerdeentscheidung verwiesen. Das LG hat des weiteren eine Güterabwägung vorgenommen und die Verhältnismäßigkeit der für die Betroffene anstehenden Grundrechtseinschränkungen im Hinblick auf die ohne die Zwangsbehandlung zu erwartenden Folgen besonders geprüft. Es hat hierbei aber nicht alle wesentlichen Gesichtspunkte berücksichtigt. Es hat keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen, welche konkreten Nebenwirkungen die beabsichtigte Medikation bei der Betroffenen hervorrufen kann. In dem Sachverständigengutachten vom 30.4.2006 wird das Nebenwirkungsprofil nicht näher beschrieben. Allein die Bemerkung, dass die Verträglichkeit der Medikamente "in aller Regel nicht gut ist", ist nicht aussagekräftig. Des Weiteren enthält die Beschwerdeentscheidung auch keinerlei Feststellungen dazu, ob - und wenn ja, in welchem Umfang - sich die Zwangsmaßnahmen auf die Psyche der Betroffenen, und damit auf ihren Gesundheitszustand auswirken können. Auch solche Auswirkungen sind in die gebotene Güterabwägung einzubeziehen (BGH v. 1.2.2006 - XII ZB 236/05, MDR 2006, 995 = BGHReport 2006, 657 m. Anm. Locher = NJW 2006, 1277). Schließlich sind bei der Prüfung, ob eine zwangsweise Behandlung eines untergebrachten Betroffenen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit noch entspricht, nicht nur der ohne Behandlung drohende Gesundheitsschaden sondern auch die Heilungs- bzw. Besserungsprognose zu berücksichtigen, an deren Gewichtigkeit ebenfalls strenge Anforderungen zu stellen sind (BGH v. 1.2.2006 - XII ZB 236/05, MDR 2006, 995 = BGHReport 2006, 657 m. Anm. Locher = NJW 2006, 1277). Auch hierzu fehlen ausreichende Feststellungen des Beschwerdegerichts.
Das LG wird deshalb weitere Ermittlungen anzustellen und ggf. die Betroffene persönlich anzuhören haben.
Es wird bei seiner erneuten Entscheidung w...