Entscheidungsstichwort (Thema)
Entfallen des Vergütungsanspruchs bei gekündigtem Zahnbehandlungsvertrag
Leitsatz (amtlich)
Der Verlust des Vergütungsanspruchs wegen vertragswidrigen Verhaltens nach § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB setzt auch bei zahnärztlichen Behandlungsverträgen nicht voraus, dass das vertragswidrige Verhalten als besonders schwerwiegend anzusehen ist. Eine fehlerhaft vorgenommene Bisserhöhung, die zu einer Diskusverlagerung führt, stellt keine lediglich geringfügige Vertragsverletzung dar.
Normenkette
BGB §§ 242, 280, 611, 628, 823
Verfahrensgang
LG Aachen (Urteil vom 21.12.2011; Aktenzeichen 11 O 141/10) |
Tenor
I. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das am 21.12.2011 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des LG Aachen (11 O 141/10) durch Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
II. Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesem Hinweis binnen drei Wochen ab Zugang dieses Beschlusses.
Gründe
I. Die Berufung des Klägers hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Entscheidung des LG beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen die im Berufungsverfahren zugrunde zu legenden Tatsachen (§§ 529, 531 ZPO) eine andere Entscheidung (§ 513 ZPO).
Das LG hat vielmehr zu Recht entschieden, dass dem Kläger gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von Honorar für die mit der Rechnung vom 21.1.2009 abgerechneten zahnärztlichen Leistungen einschließlich der mit abgerechneten Fremd- und Eigenlaborkosten zzgl. Zinsen und Kosten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zusteht, weil die abgerechneten Leistungen des Klägers für den Beklagten infolge von Behandlungsfehlern vollständig unbrauchbar sind. Auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung, die sich der Senat zu Eigen macht, wird hier zur Vermeidung von Wiederholungen vollumfänglich Bezug genommen. Das Berufungsvorbringen des Klägers rechtfertigt eine abweichende Entscheidung nicht und bietet lediglich Veranlassung für folgende ergänzende Anmerkungen:
1. Der Kläger beruft sich ohne Erfolg darauf, dass das LG bei seiner Entscheidung das aus § 242 BGB abgeleitete Übermaßverbot nicht hinreichend beachtet habe.
Danach lässt zwar eine lediglich geringfügige Vertragsverletzung bei gekündigten Verträgen über Dienste höherer Art und damit auch bei gekündigten zahnärztlichen Behandlungsverträgen die Pflicht unberührt, die bis zur Kündigung erbrachten Dienste zu vergüten [vgl. hierzu etwa: BGH, NJW 2011, 1674, Juris-Rz. 15 m.w.N.]. Der Verlust des Vergütungsanspruches wegen vertragswidrigen Verhaltens nach § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB setzt aber auch bei zahnärztlichen Behandlungsverträgen nicht voraus, dass das vertragswidrige Verhalten als schwerwiegend oder als wichtiger Grund i.S.v. § 626 BGB anzusehen ist [vgl. hierzu etwa: BGH, NJW 2011, 1674, Juris-Rz. 15 m.w.N.]. Vielmehr kann auch ein zahnärztlicher Behandlungsfehler ein vertragswidriges Verhalten i.S.v. § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB sein [vgl. hierzu etwa: BGH, NJW 2011, 1674, Juris-Rz. 16/17].
Dass dem Kläger bei der Behandlung des Beklagten zahnärztliche Behandlungsfehler unterlaufen sind, infolge derer die von ihm erbrachten Leistungen für den Beklagten i.S.v. § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB kein Interesse mehr haben, steht aber aufgrund des Ergebnisses der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme auch zur Überzeugung des Senates fest. Bei dieser Beurteilung folgt auch der Senat dem überzeugend begründeten Gutachten des erstinstanzlich beauftragten Sachverständigen Dr. T [schriftliches Gutachten vom 12.4.2011 (Bl. 134 - 140 i.V.m. 141 d.A.) nebst mündlicher Erläuterungen am 26.10.2011 (S. 1 - 3 des Protokolls der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme am 26.10.2011, Bl. 171 ff., 171 - 173 d.A.)]. Nach den Feststellungen des Sachverständigen ist auch der Senat davon überzeugt, dass bei dem Beklagten eine anteriore Diskusverlagerung eingetreten ist, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit durch die fehlerhaft vorgenommene Bisserhöhung verursacht worden ist und die dazu führt, dass die vom Kläger mit der umstrittenen Rechnung abgerechneten Leistungen und möglicherweise auch die anderen hier nicht streitgegenständlichen Leistungen neu erbracht werden müssen [vgl. hierzu insb.: S. 2, 6 und 7 des schriftlichen Gutachtens vom 12.4.2011 (Bl. 134 ff., 135, 139 und 140 d.A.) sowie seine mündlichen Erläuterungen am 26.10.2011 (S. 1 - 3 des Protokolls vom 26.10.2011, Bl. 171 ff., 171 - 173 d.A.)]. Zur Begründung hat der Sachverständige insbesondere ausgeführt, dass bei dem Beklagten ausweislich der Behandlungsunterlagen des Klägers vor der Behandlung keine Erkrankung der Kiefergelenke vorgelegen habe, dass er [der Sachverständige] bei seiner Untersuchung des Beklagten auf der rechten Seite ein terminales reziprokes Kiefergelenkknacken festgestellt habe, dass gleichzeitig das Endgefühl hart gewesen sei, dass der tiefe Anteil des Hauptmuskels schmerzhaft reagiert habe, dass diese Symptome für eine anteriore Diskusverlagerung...