Leitsatz (amtlich)
Gegenstand einer Leistungs-(Befriedigungs-)Verfügung kann auch ein Anspruch auf Krankentagegeld sein.
Im Wege der einstweiligen Verfügung kann nicht die Feststellung begehrt werden, die Krankheitskostenversicherung sei nicht durch außerordentliche Kündigung beendet worden, sondern bestehe einstweilen unverändert fort.
Verfahrensgang
LG Köln (Beschluss vom 30.06.2004; Aktenzeichen 23 O 301/04) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss der 23. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 30.06.2004 - 23 O 301/04 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des zweiten Rechtszugs zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vollstreckbar.
Gründe
I.
Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine Krankheitskosten- und eine Krankentagegeldversicherung. Der versicherte Tagessatz beläuft sich auf 255,65 EUR. Im Jahre 2003 erkrankte er u.a. an einem depressiven Syndrom. Die Beklagte zahlte antragsgemäß v. 8. Dez. 2003 bis zum 3. Juni 2004 Tagegeld. Im Mai 2004 beauftragte sie einen Detektiv, der sich am 11.5.2004 in der vom Kläger in L betriebenen Anwaltskanzlei meldete und um Beratung in einer Sorgerechtsangelegenheit bat, die ihm der Kläger zuteil werden ließ und wofür er ein Honorar von 50 EUR vereinnahmte. Daraufhin kündigte die Beklagte mit Schreiben v. 21.6.2004 "den Versicherungsvertrag" unter Berufung auf § 314 BGB fristlos, weil der Kläger während der Arbeitsunfähigkeit seine berufliche Tätigkeit ausgeübt habe.
Der Kläger hat im Wege der einstweiligen Verfügung Zahlung des vereinbarten Krankentagegelds ab 4.6.2004 vorläufig längstens bis zum 4. Dez. 2004 begehrt und geltend gemacht, dass er auf die Zahlungen dringend angewiesen sei, weil er andernfalls die Kanzlei ab 1. Juli 2004 schließen müsse. Der Kanzleiunterhalt erfordere monatlich einen Betrag von rund 9.000 EUR. Seine Tochter, eine zugelassene Rechtsanwältin, die ihn in der Kanzlei vertrete und dafür vereinbarungsgemäß ein Monatsgehalt von 2.500 EUR beanspruchen könne, erhalte nur eine geringe Abschlagszahlung. Im ersten Quartal 2004 habe die Kanzlei nur Einnahmen von knapp 7.000 EUR monatlich erzielt. Sonstige liquide Mittel habe er nicht, die Möglichkeiten von Kreditaufnahmen seien erschöpft.
Die Kündigung sei unwirksam. Er habe trotz Arbeitsunfähigkeit am 11.5.2004 in seiner Kanzlei nach dem Rechten sehen wollen. Da seine Tochter einen dringenden Termin gehabt habe, habe er aus einem Impuls heraus die - im Übrigen völlig insuffiziente - Beratung, für die er auch kein Honorar hätte haben wollen, übernommen.
Das LG hat den Antrag im Beschlusswege zurückgewiesen, weil eine Leistungsverfügung im Rahmen eines privaten Versicherungsverhältnisses nicht zugelassen sei. Im Übrigen fehle es an einem Verfügungsanspruch, soweit es um künftige Tagegeldansprüche gehe.
Dagegen wendet sich der Kläger mit der sofortigen Beschwerde. Er beschränkt seinen Anspruch auf den Zeitraum 4. Juni bis 19.7.2004 und begehrt außerdem den Ausspruch, dass die Krankheitskostenversicherung "bis zur Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache wegen Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung aufrecht erhalten bleibe".
Die Beklagte tritt den Anträgen entgegen.
II.
Die gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte sofortige Beschwerde, über die der Senat nach durchgeführter mündlicher Verhandlung durch Urteil zu entscheiden hat (Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., § 922 Rz. 14), ist form- und fristgerecht eingelegt worden und damit insgesamt zulässig. Sie bleibt in der Sache allerdings ohne Erfolg.
1. Der vorläufige Rechtsschutz nach §§ 935, 940 ZPO dient der Sicherung eines Individualanspruchs und der einstweiligen Regelung eines streitigen Rechtsverhältnisses. Die vorläufige Befriedigung des Hauptanspruchs, um die es hier im wesentlichen geht, kann nur ausnahmsweise beansprucht werden, wenn der Gläubiger auf die sofortige Erfüllung dringend angewiesen ist und die Erwirkung eines Titels im ordentlichen Verfahren wegen der unvermeidlichen zeitlichen Verzögerung nicht zumutbar ist, weil zwischenzeitlich irreversible Fakten geschaffen würden oder der Verweis auf das ordentliche Verfahren praktisch einer Rechtsverweigerung gleichkäme (OLG Köln NJW-RR 1995, 546). Die Ausnahme muss auf Notfälle wie eine existenzielle Gefährdung des Gläubigers beschränkt bleiben, denn die vorläufige Befriedigung führt regelmäßig zu einem endgültigen Rechtsverlust des Schuldners, weil jener einen Rückforderungsanspruch nach Obsiegen in der Hauptsache nur selten durchsetzen können wird. Führt die Erfüllungsverweigerung lediglich zu (auch schwerwiegenden) Vermögensschäden, bleibt der Gläubiger regelmäßig auf die spätere Geltendmachung von Schadensersatz verwiesen und kann nicht zu deren Abwendung gleichsam vorbeugend sofortige Erfüllung verlangen. In Literatur und Rechtsprechung sind deshalb Befriedigungsverfügungen anerkannt, die zur Abwendung von existenziellen Notlagen auf vorläufige Zahlung von Unterhalt, Gehalt oder (Haftpflicht)Renten, aber auch z.B. von Arztkosten gerichte...