Entscheidungsstichwort (Thema)
"REWE-Haushaltskarte": wöchentliches Gewinnspiel mit Monatsziehung
Leitsatz (amtlich)
Ein von einer Supermarktkette veranstaltetes Gewinnspiel, bei dem wöchentlich bis zu 10.000 Euro und bei einer Monatsziehung bis zu 100.000 Euro in bar ausgelobt sind, ist weder unter dem Gesichtspunkt des psychischem Kaufzwangs noch dem des übertriebenen Anlockens wettbewerbswidrig, wenn die zur Teilnahme erforderliche "Haushaltskarte" (nur) an außerhalb des Verkaufs- und Kassenbereichs aufgestellten Anlagen gescannt werden kann.
Verfahrensgang
LG Köln (Urteil vom 08.04.2004; Aktenzeichen 33 O 397/03) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 8.4.2004 verkündete Urteil der 33. Zivilkammer des LG Köln - 33 O 397/03 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Kostenerstattungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger - ein Verein, der sich satzungsgemäß der Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs widmet -, nimmt die Beklagte auf Unterlassung der Veranstaltung eines Gewinnspiels sowie auf Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch.
Die Beklagte ist Herausgeberin der "S.-Haushaltskarte", welche u.a. zur Teilnahme an einer von ihr veranstalteten Lotterie berechtigt. Im Zuge dieses Gewinnspiels finden Wochen- und Monatsziehungen statt, bei denen Gewinne von wöchentlich bis zu 10.000 Euro in bar bzw. von monatlich bis zu 100.000 Euro in bar ausgelobt sind. Die Teilnahme an den Wochenziehungen setzt voraus, dass die "S.-Haushaltskarte" mindestens einmal in der Woche in einem der angeschlossenen Märkte der S.-Gruppe oder in bestimmten Partnerunternehmen an eigens hierfür und jeweils außerhalb des Verkaufs- und Kassenbereichs aufgestellten Anlagen von dem Karteninhaber gescannt wird. Um an den Monatsziehungen teilnehmen zu können, muss die Karte vor der Ziehung vier Wochen lang mindestens einmal pro Woche gescannt werden. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Spiel- und Teilnahmebedingungen wird auf das die "Allgemeinen Geschäftsbedingungen" enthaltende Antragsformular für die "S.-Haushaltskarte" sowie den Werbeflyer gem. den Anlagen 1 und 2 zur Klageschrift (GA Hülle Bl. 14) verwiesen.
Das LG hat die Beklagte mit Urteil vom 6.4.2004, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, wegen Verstoßes gegen § 1 UWG a.F. unter dem Gesichtspunkt des übertriebenen Anlockens antragsgemäß verurteilt,
1. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 250.000 Euro, ersatzweise von Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zur Dauer von 6 Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs, wie nachstehend wiedergegeben, ein Gewinnspiel mit einer Wochenziehung i.H.v. 10.000 Euro in bar und einer Monatsziehung i.H.v. 100.000 Euro in bar anzukündigen, wenn der Teilnehmer, um an dem Gewinnspiel teilnehmen zu können, eine S.-Haushaltskarte in einem teilnehmenden Geschäft einmal pro Woche scannen muss:
pp.
2. an den Kläger 140,92 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 12.11.2003 zu zahlen.
Hiergegen wendet die Beklagte sich mit der Berufung unter Aufrechterhaltung ihrer Rechtsauffassung, dass das Gewinnspiel wettbewerbsrechtlich zulässig sei. Der Kläger verteidigt das Urteil.
Die Akten des vorangegangenen einstweiligen Verfügungsverfahrens der Parteien 33 O 268/03 LG Köln (OLG Köln U 115/03) waren zu Informationszwecken beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
II. Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Nach Auffassung des Senats verstößt die Beklagte mit der Veranstaltung des angegriffenen Gewinnspiels unter keinem in Betracht kommenden Unlauterkeitsaspekt gegen §§ 3, 4 Nr. 1, 6 UWG n.F.
1. Unter Geltung des bisherigen § 1 UWG a.F. war anerkannt, dass Gewinnspiele, wenn sie auch stets die Spiellust des Kunden ausnutzen und deshalb in gewissem Umfang von der Prüfung des Warenangebots nach Preiswürdigkeit und Güte ablenken, nicht grundsätzlich wettbewerbswidrig sind, sondern erst dann, wenn bestimmte Unlauterkeitsumstände hinzutreten, welche die Veranstaltung als wettbewerbsrechtlich anstößig erscheinen lassen (vgl. BGH v. 11.4.2002 - I ZR 225/99 - "Gewinnspiel im Radio", MDR 2002, 1445 = GRUR 2002, 1003 [1004]; v. 17.2.2000 - I ZR 239/97 - "Space Fidelity Peep-Show", MDR 2000, 1263 = GRUR 2000, 820 [821]; v. 5.2.1998 - I ZR 151/95 - "Rubbelaktion", MDR 1998, 1176 = GRUR 1998, 735 [736]; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., § 1 Rz. 147 [151 ff., 167]; Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl., § 1 Rz. 331). Derartige die Sittenwidrigkeit begründende Umstände wurden insb. dann angenommen, wenn auf den Teilnehmer psychischer Kaufzwang...