Leitsatz (amtlich)

1. Die Pflicht des Rechtsanwalts, seinen Mandanten grundsätzlich umfassend und möglichst erschöpfend rechtlich zu beraten und, falls eine Klage oder Berufung nur wenig Aussicht auf Erfolg verspricht, hierauf und auf die damit verbundenen Gefahren hinzuweisen, gilt gleichermaßen auch dann, wenn der Mandant rechtsschutzversichert ist.

2. Der Rechtsanwalt hat seinen Mandanten auch darüber zu belehren, dass der Rechtsschutzversicherer zur Gewährung von Deckungsschutz für aussichtslose Verfahren nach Maßgabe der § 3 a ARB, § 128 VVG nicht verpflichtet ist.

3. Die Deckungszusage eines Rechtsschutzversicherers hat keinen Einfluss auf das Vertragsverhältnis zwischen dem Mandanten/Versicherungsnehmer und dem Rechtsanwalt. Sie begründet insbesondere für den Rechtsanwalt grundsätzlich keinen Vertrauenstatbestand dahin, dass er von dem Rechtsschutzversicherer nicht wegen Verletzung seiner Pflichten aus dem Anwaltsvertrag aus übergegangenem Recht in Anspruch genommen wird. Die Rechtsschutzversicherung wird nicht als Erfüllungsgehilfin des Versicherungsnehmers in dessen Pflichtenkreis aus dem mit dem Anwalt geschlossenen Vertrag tätig.

4. Der zur Beweislastumkehr führende Anscheinsbeweis beratungskonformen Verhaltens, wie er etwa in Fällen der Anwalts- und Steuerberaterhaftung Anwendung findet, gilt in der Rechtsschutzversicherung nicht in jedem Einzelfall. Anders dann, wenn der Rechtsanwalt seinen Mandanten nicht von einer von vornherein aussichtslosen Klage abrät und darauf hinweist, dass der Mandant deshalb ohne Rechtsschutz den Prozess auf eigenes Risiko führen müsse.

 

Verfahrensgang

LG Bonn (Aktenzeichen 15 O 263/18)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 17.05.2019 (15 O 263/18 LG Bonn) teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 7.937,90 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.12.2017 zu zahlen. Die Klage im Übrigen wird abgewiesen.

Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu 21 % und die Beklagte zu 79 %; die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz tragen die Klägerin zu 7 % und die Beklagte zu 93 %.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin ist eine Rechtsschutzversicherung, bei der Herr W. Versicherungsnehmer ist. Sie nimmt die Beklagte aus übergegangenem Recht nach § 86 VVG in Anspruch.

Die Beklagte vertrat den Versicherungsnehmer W. in einem Rechtsstreit vor dem Landgericht H. (Az.: ...) und dem Oberlandesgericht H. (Az.: ...) gegen die U. Krankenversicherung a.G. (im Folgenden: U.). In diesem Verfahren nahm der Mandant W. die U. auf Zahlung von Krankentagegeld für den Zeitraum vom 10.03. bis zum 17.05.2015 in Höhe von 13.800,00 EUR in Anspruch.

Der Versicherungsnehmer W. war seit dem 01.10.2004 Außendienstmitarbeiter der Fa. K. GmbH, die u.a. Reinigungsgeräte wie etwa Hochdruckreiniger vertreibt. Er unterhielt eine private Krankenversicherung bei der U.. Nach den Versicherungsbedingungen KT 43 war ab dem 43. Tag einer Arbeitsunfähigkeit ein tägliches Krankengeld in Höhe von 200 EUR zu zahlen. Dem Versicherungsnehmer waren verschiedene Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ab dem 23.01.2015 ausgestellt worden, zuletzt mit Datum vom 20.04.2015 (vgl. im Einzelnen Bl. 4 GA). Am 18.05.2015 erhielt der Versicherungsnehmer erstmals einen Termin bei der Psychotherapeutin Dr. F., die die Diagnose "Anpassungsstörung" stellte und mit Schreiben vom 02.06.2015 bescheinigte, dass mit den probatorischen Sitzungen erst am 29.05.2015 begonnen werden konnte (Bl. 110 GA).

Mit Abrechnungsschreiben vom 30.04.2015 zahlte die U. Krankentagegeld aus Kulanz an den Versicherungsnehmer in Höhe von 1.000 EUR (5 × 200 EUR) für die Zeit vom 05.03. bis 09.03.2015 (Anlage SP 13 LG H.). Mit weiterem Abrechnungsschreiben vom 08.06.2015 zahlte sie Krankentagegeld an den Versicherungsnehmer in Höhe von 3.100,55 EUR für die Zeit vom 18.05. bis 01.06.2015 (Anlage SP 15 LG H.).

Der Versicherungsnehmer W. beauftragte die Beklagte Ende Juni/Anfang Juli 2015 mit der Geltendmachung von Ansprüchen aus der Krankentagegeldversicherung ab März 2015. Mit Schreiben vom 01.07.2015 an die U. forderte die Beklagte Zahlung von rückständigem Krankentagegeld seit dem 05.03.2015 sowie auch zukünftige Zahlungen von Krankentagegeld (Bl. 102, 103 GA). Mit Schreiben vom 03.07.2015 antwortete die U., dass sie für die Zeit vom 05.03. bis 09.03.2015 insoweit aus Kulanz Krankentagegeld an den Kläger gezahlt habe. Im Übrigen verweigerte die U. weitere Leistungen unter Hinweis darauf, dass mangels Nachweises einer Heilbehandlung kein Versicherungsfall eingetreten sei und es sich zudem im genannten Zeitraum um unterschiedliche Erkrankungen gehandelt habe, die jeweils unterschiedliche Karenzzeiten zur Folge hätten (Bl. 104 ff. GA). Die U. wies ferner darauf ...

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