Entscheidungsstichwort (Thema)
Tod nach Magenverkleinerung; Sachverständigenbeweis, Behandlungsfehler, Dokumentation; Entscheidungskonflikt
Leitsatz (amtlich)
1. Es bedeutet keinen Verstoß gegen den Grundsatz fachgleicher Begutachtung, wenn kein Viszeralchirurg sondern ein allgemein chirurgisch tätiger Arzt zur Beurteilung der Frage herangezogen wird, ob für eine Magenoperation bei einem extrem übergewichtigen Patienten eine Schlafapnoe vorliegt oder eine Nachbeatmung erforderlich ist.
2. Zur Frage, wann vor einer Magenoperation eine Röntgenaufnahme des Thorax erforderlich ist.
3. Es ist nicht behandlungsfehlerhaft, die weitere Abklärung eines Verdachts auf ein Schlafapnoe-Syndrom vor einer Magenoperation zu unterlassen, wenn eine Bestätigung dieses Verdachtes keine prä- oder postoperativen therapeutischen Konsequenzen nach sich gezogen hätte.
4. Ungenauigkeiten einer Dokumentation hinsichtlich des genauen Zeitpunktes von Beatmung, Intubation und Reanimation bei einer sich über einen längeren Zeitraum hinziehenden Wiederbelebung sind zwangsläufig und unschädlich.
5. Zur Frage, wann bei einem verstorbenen Patienten anhand der Gesamtumstände auf einen fehlenden Entscheidungskonflikt geschlossen werden kann.
Normenkette
BGB §§ 249, 280, 611, 823; ZPO § 404
Verfahrensgang
LG Bonn (Urteil vom 11.04.2014; Aktenzeichen 9 O 17/13) |
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das am 11.4.2014 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des LG Bonn - 9 O 17/13 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden den Klägern auferlegt.
Das vorliegende Urteil und die angefochtene Entscheidung sind vorläufig vollstreckbar. Den Klägern wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der am XX. XX. 1976 geborene Sohn der Kläger (im Folgenden auch: Patient) litt an erheblichem Übergewicht. Konservative Versuche einer Gewichtsreduzierung blieben ohne Erfolg. Im Oktober 2009 betrug sein Gewicht bei einer Größe von 185 cm 157 kg. In den folgenden Monaten nahm er in erheblichem Ausmaß zu.
Im August 2010 stellte er sich ambulant in der Adopositassprechstunde des Krankenhauses der Beklagten zu 1) vor. Hinter der in einem Bogen enthaltenen Frage nach einer Schlafapnoe trug er "Schnarchen" ein. Am 9.9.2010 wurde er stationär im Krankenhaus der Beklagten zu 1) aufgenommen. Zu diesem Zeitpunkt wog er fast 240 kg. Die Ärzte nahmen insbesondere eine Spiegelung des Magens und Zwölffingerdarms, eine Blutgasanalyse, eine Laboruntersuchung und einen Lungenfunktionstest vor. Nach einem am gleichen Tag geführten chirurgischen Aufklärungsgespräch willigte der Patient in eine laparoskopische Magenschlauchresektion ein, die der Beklagte zu 2) am 13.9.2010 durchführte. Der Beklagte zu 3) ist der Chefarzt der anästhesiologischen Abteilung der Beklagten zu 1). Nach der Operation wurde der Patient extubiert und auf der Intensivstation betreut. Am 14.9.2010 gegen 4.25 Uhr trat ein Abfall der Sauerstoffsättigung ein. Der Patient wurde über eine Larynxmaske beatmet und reanimationspflichtig. Der erste Intubationsversuch scheiterte. Ein weiterer Intubationsversuch hatte Erfolg. Gegen 4.55 Uhr war ein ausreichender Kreislauf vorhanden. Die am 14.9.2010 durchgeführte Thoraxaufnahme zeigte eine Verschattung am linken Hemithorax. Neurologische Untersuchungen ergaben, dass der Patient einen hypoxischen Hirnschaden erlitten hatte.
Am 11.10.2010 wurde er in das Marien-Hospital F verlegt. Nach einer Weiterverlegung in das Krankenhaus der Augstinerinnen in L verstarb er am 16.12.2010 an den Folgen des Hirnschadens.
Die Kläger, die ihren Sohn beerbt haben, haben die Beklagten auf ein Schmerzensgeld von mindestens 60.000 EUR, das sie in erster Linie aus ererbtem und hilfsweise aus eigenem Recht herleiten, Erstattung von Beerdigungs- und Sachverständigenkosten von 9.235,98 EUR, Feststellung der Ersatzpflicht und Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten von 3.765,64 EUR in Anspruch genommen. Gestützt auf ein Gutachten von Prof. Dr. T (Anlage K 3) nebst drei Ergänzungen (Anlage K 5, Bl. 109 ff. und Bl 217 ff. d.A.) haben sie den Beklagten vorgeworfen, die durch die präoperativen Untersuchungen belegte respiratorische Insuffizienz nicht durch eine Röntgenaufnahme des Thorax abgeklärt zu haben, die mit hohen Wahrscheinlichkeit eine Bronchopneumonie gezeigt hätte. Dies hätte - genauso wie das Erysipel am linken Unterschenkel - eine Kontraindikation für die bariatrische Operation dargestellt. Außerdem hätten die Beklagten das Vorliegen eines Schlafapnoesyndroms durch eine Polysomnografie, also eine Untersuchung im Schlaflabor, abklären müssen, was nach der Extubation zu einer temporären Nachbeatmung, etwa durch eine CPAP-Beatmungshilfe, geführt hätte. Die Beerdigungskosten haben die Kläger mit 7.624,81 EUR beziffert, die Sachverständigenkosten mit 2.972,62 E...