Verfahrensgang
LG Aachen (Aktenzeichen 10 O 307/19) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen das Urteil des Landgerichts Aachen vom 28.01.2020 - 10 O 307/19 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 41.199,27 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.08.2019 Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs der Marke Volkswagen Touareg V6 TDI mit der Fahrgestellnummer A zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des vorgenannten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 36 % und die Beklagte zu 64 %.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Beiden Parteien bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abzuwenden, sofern nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 55.152 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche im Zusammenhang mit einer von ihm behaupteten Betroffenheit seines bei der Beklagten erworbenen Fahrzeugs VW Touareg vom sog. Dieselabgasskandal geltend.
Am 27.04.2015 bestellte der Kläger bei der Beklagten, die den Auftrag am 19.05.2015 bestätigte, ein Neufahrzeug des Typs VW Touareg 3.0 l V6 zu einem Brutto-Kaufpreis von 55.152,24 EUR.
In der für das streitgegenständliche Fahrzeug ausgestellten EG-Übereinstimmungsbescheinigung vom 17.08.2015 (Anl. K14, Bl. 336 f. GA) ist unter Ziffer 20. als "Hersteller der Antriebsmaschine" die Beklagte ausgewiesen.
Die Beklagte ist die Herstellerin des streitgegenständlichen Fahrzeugs, in den sie einen Dieselmotor des Typs EA 897 EVO (EU6) eingebaut hat. Der Entwicklung und Herstellung des streitgegenständlichen Motors einschließlich der Motorsteuerungssoftware lag ein sog. Plattformkonzept des VW-Konzerns zugrunde, dessen Einzelheiten zwischen den Parteien ebenso streitig sind wie der Umstand, wer den Motor einschließlich der Motorsteuerungssoftware im Rahmen dieses Plattformkonzepts entwickelt und hergestellt hat. In dem Fahrzeug werden zwei Technologien zur Reduktion des Stickoxidausstoßes eingesetzt, nämlich ein SCR-Katalysator, der mit Ad-Blue betrieben wird, und zum anderen die sog. Abgasrückführung.
Im November 2017 verfasste das Kraftfahrt-Bundesamt (im Folgenden: KBA) im Zusammenhang mit Fahrzeugen des Typs VW Touareg 3.0l Diesel EU6 ein Anschreiben an die Beklagte, wonach diese u.a. zwei Strategien im Emissionskontrollsystem verwende, die nahezu ausschließlich unter den Bedingungen der Prüfung Typ 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 genutzt würden. Der Nutzung einer Aufheizstrategie (Strategie A) bei der Prüfung Typ 1 gehe die Nutzung einer Strategie "Alternatives Aufheizen" (Strategie B) während der Vorkonditionierung des Fahrzeugs zum Zwecke der Prüfung Typ 1 voraus. Beide Strategien würden genutzt, um die Überschreitung des NOx- Grenzwertes von 80 mg/km bei der Prüfung Typ 1 sicher zu vermeiden.
Mit Bescheid aus Dezember 2017 ordnete das KBA sodann nachträgliche Nebenbestimmungen zu dem streitgegenständlichen Fahrzeugtyp VW Touareg 3.0 l Diesel EU6 an. Die Beklagte verwende fünf verschiedene Strategien (Strategien A bis E) im Emissionskontrollsystem der untersuchten Fahrzeuge. Die Aufheizstrategien (Strategie A und B) würden nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen aktiviert, die alle gleichzeitig vorliegen müssten, was nahezu ausschließlich unter den Bedingungen des Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) - dem Fahrzyklus zur Abgasprüfung im Rahmen der Euro-6-Abgasnorm - der Fall sei. Die temperatur- und druckgeführten Größen seien so eng bedatet, dass die Aufheizstrategien nahezu ausschließlich im NEFZ und unter den dort definierten Prüfbedingungen wirkten. Schon kleine Abweichungen in Fahrprofil und Umgebungsbedingungen führten zur Abschaltung der Aufheizstrategie. In der Zusammenschau ergebe sich das Vorhandensein einer Prüfzykluserkennung zum Zwecke der Erhöhung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems. Die von der Beklagten applizierten Schaltkriterien seien so gewählt, dass die Aufheizstrategie und damit die erhöhte Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems mit Sicherheit im NEFZ aktiviert bzw. nicht abgeschaltet werde. Beim Einsatz der Aufheizstrategien (Strategie A und B) werde die Überschreitung des NOx-Grenzwertes von 80mg/km bei der Prüfung sicher vermieden. Werde die Aufheizstrategie (Strategie A) abgeschaltet, verschlechtere sich das Stickoxidemissionsverhalten. Laut KBA enthält das Motorsteuergerät mit der Strategie A eine unzulässige Abschalteinrichtung nach Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007. Auch soweit die in Rede stehenden Fahrzeuge einen SCR-Katalysator ...