Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausgleichsanspruch des Vertragshändlers nach Kündigung des Vertrages durch den Hersteller

 

Leitsatz (amtlich)

Die Vorschrift des § 89b Abs. 3 Nr. 1 HGB ist zugunsten des Handelsvertreters bzw. des Vertragshändlers restriktiv anzuwenden. Eine erweiternde Auslegung kommt nur dann in Betracht, wenn ausnahmsweise ein einer Eigenkündigung des Händlers gleichzusetzender Sachverhalt vorliegt. Kündigt der Hersteller den Vertragshändlervertrag ohne ersichtliche Bezugnahme auf die GVO 1400/2002 bezogen auf einen Zeitpunkt acht Monate vor deren In-Kraft-Treten, so verliert der Vertragshändler seinen Ausgleichsanspruch nicht in entsprechender Anwendung von § 89b Abs. 3 Nr. 1 HGB, wenn er es ablehnt, einen ihm vom Hersteller angebotenen Folgevertrag abzuschließen. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Folgevertrag im Vergleich zu dem beendeten Vertragshändlervertrag für den Händler nachteilige Konditionen enthält.

 

Normenkette

HGB § 89b; Kfz-Gruppenfreistellungsverordnung der EG v. 31.7.2002 (GVO 1400/2002)

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 21.10.2005; Aktenzeichen 90 O 140/04)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 21.10.2005 verkündete Urteil der 10. Kammer für Handelssachen des LG Köln - 10 O 140/04 - abgeändert und, wie folgt, neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Sparkasse H.-I., C.-Straße 12, H., 100.000 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.1.2004 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn der Kläger nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger macht als früherer Vertragshändler gegen die Beklagte im Wege der Prozessstandschaft einen an die Sparkasse H-I abgetretenen Ausgleichsanspruch geltend. Er begehrt im Rahmen einer Teilklage die Zahlung von 100.000 EUR nebst Zinsen.

Der Kläger war aufgrund des D-Vertragshändlervertrages vom 24.7.1998 (Anlage K 1) für die Beklagte unter der Firma Autohaus Q. am Standort H. tätig. Daneben vertrieb er mit Einverständnis der Beklagten Fahrzeuge auch über einen ihm nachgeordneten Händler, das Autohaus S.U. in L. Darüber verhält sich die Vereinbarung vom 1./14.12.1998 (Anlage K 17a).

Das Vertragsverhältnis mit dem Kläger ist im Rahmen einer grundlegenden Neustrukturierung der Vertriebsorganisation durch ordentliche Kündigung der Beklagten vom 19.1.2001 (Anlage K 2) mit Wirkung zum 31.1.2003 beendet worden. Von dem Angebot der Beklagten, einen neuen Vertragshändlervertrag unter veränderten Konditionen abzuschließen, hat der Kläger im Januar 2003 keinen Gebrauch gemacht. Stattdessen haben die Parteien unter dem 22.1.2003 einen Vertrag über den Betrieb einer D.-Vertragswerkstatt geschlossen. Auf dieser Grundlage war der Kläger seit dem 1.2.2003 als autorisierter Werkstattbetreiber für die Beklagte tätig. Die Zusammenarbeit der Parteien im Servicebereich ist durch Kündigung des Werkstattvertrages durch den Kläger, der im Juli 2003 sein 65. Lebensjahr vollendet hat, zum 30.4.2004 endgültig beendet worden (vgl. Anlage K 16a).

Der Kläger hat mit Schreiben seiner jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 23.6.2003 (Anlage K 3) den Ausgleichsanspruch ggü. der Beklagten angemeldet und die Forderung unter Berücksichtigung der Höchstbetragsgrenze des § 89b Abs. 2 HGB auf 245.437,79 EUR beziffert. Mit Schreiben vom 12.9.2003 (Anlage K 4) bat die Beklagte zum Zwecke der näheren Prüfung um Ergänzung der ihr übersandten Unterlagen. Mit Schreiben vom 27.2.2004 lehnte sie nach zwischenzeitlichem geführtem weiterem Schriftverkehr die Zahlung eines Ausgleichsbetrages jedoch ab.

Die Beklagte hat in erster Instanz zunächst eingewandt, dem Kläger stehe schon im Hinblick darauf, dass er im unmittelbaren Anschluss an die Vertragshändlertätigkeit als Betreiber einer Vertragswerkstatt tätig geworden sei, dem Grunde nach kein Ausgleichsanspruch zu. Er habe nämlich weiterhin die Möglichkeit gehabt, den vorhandenen Kundenstamm im Rahmen seiner neuen Tätigkeit zu nutzen. Der Ausgleichsanspruch sei im Übrigen auch nicht hinreichend dargelegt; dies schon deswegen, weil der Kläger trotz entsprechender Aufforderung keine Bilanzen und Steuererklärungen vorgelegt habe. Die Beklagte hat des Weiteren Einzelheiten im Hinblick auf die Berechnung des Anspruchs gerügt. So seien etwa Umsätze mit Vorführwagen unzulässigerweise einbezogen worden. Der Kläger könne einen Ausgleich auch nicht für Verkäufe an oder durch seine Untervertragshändlerin, das Autohaus U., verlangen. Insoweit habe es sich um nur "Querbezüge" innerhalb des Vertriebsnetzes gehandelt. Auch seien nicht alle Kundendaten nach Vertragsbeendigung ordnungsgemäß zur Verfügung gestellt worden, so dass eine Reihe von Kaufgeschäften nicht berücksichtigungsfähig seien.

Im weiteren Verlauf des Rechtsstreits...

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