Leitsatz (amtlich)

Eine Depression ist in der Berufsunfähigkeitsversicherung ein offensichtlich gefahr-erheblicher Umstand im Sinne der Obliegenheit zur wahrheitsgemäßen Beantwor-tung von Gesundheitsfragen im Antragsformular. Dafür genügt auch eine psycho-therapeutische Behandlung, die der Versicherungsnehmer auf Überarbeitung zurückführt.

 

Verfahrensgang

LG Aachen (Urteil vom 25.11.2011; Aktenzeichen 9 O 11/11)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 25.11.2011 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des LG Aachen - 9 O 11/11 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin, die von Beruf Krankenschwester ist, beantragte am 26.3.2002 bei der Beklagten den Abschuss einer fondsgebundenen Lebensversicherung mit eingeschlossener Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Im Antragsformular, das von dem Zeugen C, einem Versicherungsvermittler, ausgefüllt wurde, sind sämtliche Gesundheitsfragen mit "nein" beantwortet, so auch die Frage nach Untersuchungen, Beratungen und Behandlungen in den letzten 5 Jahren. Tatsächlich hatte sich die Klägerin im abgefragten Zeitraum mehrmals in ärztliche Behandlung begeben. Im September 2009 stellte die Klägerin einen Antrag auf Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung aufgrund Multipler Sklerose. Die Beklagte trat daraufhin in die Leistungsprüfung ein. Nach Erhalt einer Auskunft des Hausarztes der Klägerin erklärte sie mit Schreiben vom 26.4.2010 die Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung durch Verschweigen ärztlicher Behandlungen.

Die Klägerin begehrt nun die Feststellung, dass die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung nicht infolge Anfechtung unwirksam sei, sondern fortbestehe, sowie Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente.

Sie hat erstinstanzlich vorgetragen: Sie sei aufgrund Multipler Sklerose bedingungsgemäß berufsunfähig. Die Beklagte sei zu einer Anfechtung des Versicherungsvertrages nicht berechtigt. Der Zeuge C habe sie lediglich nach dem Bestehen schwerer Erkrankungen, wie z.B. Krebs oder ähnlichem, gefragt; dies habe sie wahrheitsgemäß verneint. Für sie sei auch nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund ihr Hausarzt erhebliche Erkrankungen bzw. Störungen notiert habe, die letztendlich gar nicht vorgelegen hätten. Die unterbliebenen Angaben hätten - bei ihrer Offenlegung - die Entscheidung der Beklagten über den Vertragsschluss auch nicht beeinflusst. Im Übrigen hätte der Umstand, dass sie die Frage nach Arztbesuchen innerhalb der letzten fünf Jahre verneint habe, der Beklagten Anlass zur Nachfrage geben müssen, da die Annahme, dass jemand innerhalb eines solchen Zeitraums keinen Arzt aufgesucht habe, lebensfremd sei.

Die Klägerin hat beantragt,

1. festzustellen, dass der zwischen den Parteien zur Versicherungsscheinnummer 6.0479xxx. xx abgeschlossene Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherungsvertrag zu unveränderten Versicherungsbedingungen fortbesteht und nicht durch die Anfechtung der Beklagten wegen arglistiger Täuschung vom 26.4.2010 von Anfang unwirksam ist;

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie 10.773,34 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz jeweils aus 703,99 EUR seit dem 1.10.2009, dem 1.11.2009, dem 1.12.2009, dem 1.1.2010, dem 1.2.2010, dem 1.3.2010 sowie dem 1.4.2010 und aus 649,49 EUR seit dem 1.5.2010, dem 1.6.2010, dem 1.7.2010, dem 1.8.2010, dem 1.9.2010, dem 1.10.2010, dem 1.11.2010, dem 1.12.2010 sowie dem 1.1.2011 zu zahlen;

3. die Beklagte zu verurteilen, an sie ab dem 1.2.2011 bis zum Ablauf der Versicherung am 30.4.2034 eine Berufsunfähigkeitsrente i.H.v. 598,70 EUR monatlich, zahlbar jeweils zum ersten eines jeden Monats im Voraus, nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt zu zahlen und ihr von diesem Zeitpunkt an Beitragsbefreiung in Höhe der monatlichen Versicherungsbeiträge i.H.v. jeweils 50,79 EUR zu gewähren;

4. die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 1.419,19 EUR vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet: Die Klägerin habe bei Antragstellung arglistig getäuscht. Der Zeuge C habe dieser die Gesundheitsfragen vollständig gestellt und die ihm von der Klägerin erteilten Antworten in das Antragsformular eingetragen. Bei Kenntnis des wiederholten Auftretens von Beschwerden im Bereich der LWS und HWS sowie eines depressiven Syndroms bzw. Erschöpfungssyndroms hätte sie den Vertrag nicht uneingeschränkt abgeschlossen. Ferner hat die Beklagte das Vorliegen bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit bestritten.

Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird gem. § 540 Abs. 1 Satz 1...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge