Leitsatz (amtlich)
Ist einem Kind infolge eines geburtsbedingten und den Behandlern anzulastenden hypoxischen Hirnschadens (der dazu führt, dass das Kind weder jemals selbständig essen und trinken noch sprechen noch sich selbständig fortbewegen kann und dass eine maximale geistige Beeinträchtigung gegeben ist) jegliche Basis für die Entfaltung einer Persönlichkeit genommen, so ist ein Schmerzensgeld an der Obergrenze - die der Senat bei einem rein als Kapital geforderten Schmerzensgeld bei derzeit 500.000.- EUR ansetzt - per se gerechtfertigt. Eine im Rahmen einer derartigen Schwerstschädigung vorgenommene weitere "Ausdifferenzierung" (hier dahin, dass bei vergleichbaren Gerichtsentscheidungen etwa noch eine Tetraspastik oder eine Epilepsie hinzuträten) und eine damit begründete Reduzierung des Schmerzensgeldes um 50.000.- EUR sind nicht gerechtfertigt.
Normenkette
BGB §§ 249, 253, 280, 630a, 823
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 10.01.2018 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Aachen - 11 O 314/14 - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten zu 1) und 3) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 500.000 EUR sowie vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 11.367,48 Euro, jeweils nebst Zinsen i.H.v. 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.09.2013, zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1) und 3) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger alle vergangenen und zukünftigen materiellen und sämtliche zukünftigen nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihm aus der Verzögerung seiner Geburt am 26.05.2013 entstanden sind oder noch entstehen werden, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind bzw. noch übergehen werden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Parteien wie folgt:
Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen der Kläger zu 56 % und die Beklagten zu 1) und 3) als Gesamtschuldner zu 44 %. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) und 3) tragen der Kläger zu 12 % und die Beklagten zu 1) und 3) als Gesamtschuldner zu 88 %. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) und 4) trägt der Kläger.
Die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz tragen der Kläger zu zwei Dritteln und die Beklagten zu 1) und 3) zu einem Drittel.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagten wegen des Vorwurfs einer fehlerhaften Geburtsleitung auf Zahlung von Schmerzensgeld, auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten und auf Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für künftige unvorhersehbare immaterielle sowie vergangene und künftige materielle Schäden in Anspruch.
Der Kläger wurde am 26.05.2013 in dem von der Beklagten zu 1) betriebenen St. A-Hospital in B entbunden. Die Beklagte zu 3) war die geburtsbegleitende Ärztin. Der Kläger erlitt während der Geburt einen hypoxischen Hirnschaden. Er ist geistig und körperlich schwerbehindert und lebenslang auf Hilfe und Pflege angewiesen. Er wird wegen einer Schluck- und Ernährungsstörung durch eine PEG-Sonde versorgt. Speichel und anfallendes Sekret müssen regelmäßig abgesaugt werden. Es besteht eine hochgradige Sehstörung in Form einer so genannten "zentralen Blindheit". Dies bedeutet, dass visuelle Reize von den Augen zwar wahrgenommen, vom Gehirn aber nicht adäquat verarbeitet werden. Es liegt eine schwere globale Entwicklungsstörung und eine Pflegebedürftigkeit in maximaler Ausprägung rund um die Uhr vor. Der Kläger verfügt über keinerlei Alltagskompetenzen. Sein motorischer Entwicklungsstand ist stark zurückgeblieben. Es besteht eine ausgeprägte Rumpfhypotonie bei gleichzeitiger Hypertonie der Extremitäten im Rahmen seiner vorwiegend distalen Cerebralparese. Eine freie Fortbewegung aus eigener Kraft ist ihm nicht möglich. Der Kläger wird zeitlebens auf den Rollstuhl angewiesen sein.
Der Kläger hat den Beklagten vorgeworfen, grobe Behandlungsfehler bei seiner Geburt begangen zu haben.
Er hat beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn aus der fehlerhaften Geburtseinleitung vom 26.05.2013 ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 600.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, und zwar aus 500.000,00 Euro seit dem 26.09.2013, aus weiteren 100.000,00 Euro seit dem 31.01.2014;
2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurte...