Verfahrensgang

LG Aachen (Aktenzeichen 11 O 450/18)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 05.06.2019 - 11 O 450/18 - teilweise abgeändert und klarstellend wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 12.228,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.01.2019 Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs VW A 1.6 l mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer B zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 958,19 Euro freizustellen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen die Klägerin und die Beklagte je zur Hälfte.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Den Parteien bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abzuwenden, sofern nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte nach einem Pkw-Kauf im Zusammenhang mit dem sogenannten Diesel-Abgasskandal.

Die Klägerin kaufte am 24.03.2010 von der Filiale des Autohaus C GmbH & Co KG in D einen neuen PKW A zu einem Preis von 22.520,00 EUR. Die Klägerin finanzierte den Kaufpreis über die E GmbH und wandte dafür Darlehenskosten in Höhe von 1.872,58 EUR auf. In dem Fahrzeug ist ein Dieselmotor des Typs EA 189 (EU5) verbaut, der von der Beklagten hergestellt und massenhaft in diversen Fahrzeugen der Beklagten sowie in Fahrzeugen von deren Konzerntöchtern verbaut wurde. Die Steuerung dieses Motors war mit einer Software ausgestattet, die anhand des Fahrverhaltens erkennt, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand oder im realen Fahrbetrieb befindet. Die Software war so programmiert, dass sie zwei unterschiedliche Betriebsmodi für die Steuerung der Abgasrückführung aufwies. In dem im Hinblick auf den Stickoxidausstoß optimierten sog. "Modus 1", welcher beim Durchfahren des Neuen Europäischen Fahrzyklus (nachfolgend: NEFZ), dem für die amtliche Bestimmung der Fahrzeugemissionen maßgeblichen Prüfverfahren, automatisch von der Motorsteuerung aktiviert wird, kam es zu einer höheren Abgasrückführungsrate, was zu einer Einhaltung der gesetzlich geforderten Grenzwerte für Stickoxidemissionen führte. Unter realen, im normalen Straßenverkehr vorzufindenden Fahrbedingungen war hingegen der sog. "Modus 0" aktiv mit einer geringeren Abgasrückführungsrate und entsprechend höheren Stickoxidemissionen.

Am 22.09.2015 räumte die Beklagte im Rahmen einer aktienrechtlichen ad hoc-Mitteilung erstmalig eine auffällige Abweichung zwischen Prüfstandswerten und Werten im realen Fahrbetrieb bei Dieselmotoren des Typs EA 189 ein. Nachdem bekannt wurde, dass die Software dergestalt programmiert war, kam das Kraftfahrtbundesamt (im Folgenden: KBA) mit Bescheid vom 15.10.2015 zu dem Ergebnis, dass es sich bei der verwendeten Software um eine unzulässige Abschalteinrichtung handele und erlegte der Beklagten deshalb auf, die Software aus allen betroffenen Kfz mit den Motoren der EA189-Baureihe zu entfernen sowie geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Gesetzmäßigkeit der betroffenen Fahrzeuge sicher zu stellen. Die Beklagte entwickelte in der Folgezeit für die einzelnen Fahrzeugtypen jeweils Software-Updates, welche den Zweck verfolgen, die nach Auffassung des KBA aufgrund der Abschalteinrichtung mit einem technischen Mangel behafteten Fahrzeuge in einen ordnungsgemäßen Zustand zu versetzen. Die verschiedenen Software-Updates legte die Beklagte jeweils dem KBA zur Prüfung vor und rief sodann nach Freigabe durch das KBA die Fahrzeuge in mehreren Chargen zurück, um das Software-Update durchzuführen.

Auch für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp wurde ein solches Software-Update entworfen, für das das KBA bescheinigte, dass nach Durchführung des Updates an dem Fahrzeug keine unzulässige Abschalteinrichtung mehr vorhanden sei. Die Klägerin ließ das Software-Update aufspielen.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 10.08.2018 (Anl. K20) meldete die Klägerin die jetzt klageweise geltend gemachten Schadensersatzansprüche gegenüber der Beklagten an und forderte diese unter Fristsetzung bis zum 24.08.2018 erfolglos zur Rückzahlung des Kaufpreises nebst Darlehenskosten auf. Eine Rückgabe des Fahrzeugs bot sie nicht an. Mit der Beklagten am 11.01.2019 zugestellten Klageschrift forderte die Klägerin die Beklagte auf, das streitgegenständliche Fahrzeug an ihrem Wohnort abzuholen.

Zum Zeitpunkt des Fahrzeugerwerbs betrug der Kilometerstand 0 km, am Tag der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung 130.415 km und am Tag der mündlichen Verhandlung vor dem Senat 135.042 km.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Beklagte se...

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