Entscheidungsstichwort (Thema)

Sepsis bei Frühgeborenem

 

Leitsatz (amtlich)

Es stellt keinen Behandlungsfehler dar, wenn bei einem sieben Tage alten Frühgeborenen die Diagnose einer Sepsis erst aufgrund richtungsweisender klinischer Symptome (blassgraues Kolorit) gestellt wird und nicht bereits aufgrund von vorübergehenden Apnoen mit Sauerstoffsättigungsabfällen, vorübergehenden Herzfrequenzabfällen oder vorübergehenden Temperaturschwankungen.

 

Normenkette

BGB §§ 249, 280, 611, 823

 

Verfahrensgang

LG Bonn (Urteil vom 21.01.2013; Aktenzeichen 9 O 107/11)

 

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das am 21.1.2013 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des LG Bonn - 9 O 107/11 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden den Klägern auferlegt.

Das vorliegende Urteil und die angefochtene Entscheidung sind vorläufig vollstreckbar. Den Klägern wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Bei der Klägerin zu 3) kam es im Jahr 2005 zu einer eineiigen Zwillingsschwangerschaft mit gemeinsamer Plazenta und getrennten Fruchthüllen. Am 17.6.2005 wurde in der 21. Schwangerschaftswoche wegen eines fetofetalen Transfusionssyndroms eine Laserablation durchgeführt. Am 25.9.2005 wurden der Kläger und sein Zwillingsbruder in der 35. + 1 Schwangerschaftswoche nach vorzeitiger Wehentätigkeit und Blasensprung durch Kaiserschnitt geboren. Der CRP-Wert der Mutter war erhöht. Errechneter Geburtstermin war der 29.10.2005. Die Anpassung des Klägers zu 1) unmittelbar nach der Geburt verlief ohne Schwierigkeiten (Apgar-Wert 9/9/10 bei einem Geburtsgewicht von 2.050g). Seine weitere Versorgung erfolgte auf der neonatologischen Intensivstation.

Im Kurvenblatt sind am 27.9.2005 ein, am 28.9.2005 drei und am 29.9.2005 nachts drei Sauerstoffsättigungsabfälle, meist beim Trinken, verzeichnet. Am 29.9.2005 nachts kam es dabei zu Apnoen. Für den Morgen des 29.9.2005 ist als ärztlicher Untersuchungsbefund im Kurvenblatt eingetragen: "stabiler AZ, seit heute Morgen keine Apnoen mehr geboten, ruhiges Atembild, gutes Trinkverhalten, hämodynamisch unauffällig." Um 9.00 Uhr kam es beim Trinken zu einem weiteren Abfall der Sauerstoffsättigung.

In der Nacht vom 30.9.2005 zum 1.10.2005 wurde der Infusionszugang neu angelegt. Am Morgen des 1.10.2005 kam es zu einem Sauerstoffsättigungsabfall. In der ärztlichen Dokumentation findet sich der Eintrag: "stabiler AZ, keine Probleme". In der Pflegedokumentation des Spätdienstes heißt es: "wach, meldet sich, trinkt mäßig, Temperatur erhöht, Babytherm runtergestellt." Ausweislich des Kurvenblatts betrug die Temperatur 37,5 .

In der Nacht vom 1.10.2005 zum 2.10.2005 heißt es im Pflegebericht um 0.00 Uhr "Kind trinkt mäßig, DT-Punktionsstelle reizfrei, rosig-ikterisch, rege" und um 4.00 Uhr "Kind wird geweckt, trinkt schleppend, Po gerötet, sonst idem". Zwischen 3.00 Uhr und 4.00 Uhr kam es zu zwei Herzfrequenzabfällen bis 75 bpm.

Am 2.10.2005 ab 8.00 Uhr ist eine Temperatur von 38 in der Fieberkurve verzeichnet. Zwischen 7.30 Uhr und 9.00 Uhr kam es zu zwei Herzfrequenzabfällen und vier Sauerstoffsättigungsabfällen. Die Blutgasanalyse zeigte um 8.02 Uhr eine Laktaterhöhung (3,3 mmol/l). In der ärztlichen Dokumentation heißt es für 8.30 Uhr: "rosig-ikterisch, RFZ 2 Sek, Turgor +, keine Ödeme, Fontanelle im Niveau, cp auskultatorisch o.p.B., Abdomen leicht gebläht, weich DG +, kein Druckschmerz, keine AS, keine HSSM, Fem.-Pulse +/+". Die Ärztin Dr. L veranlasste Untersuchungen von Blut, Stuhl und Urin. Eine Blutgaskontrolle ergab um 8.53 Uhr eine Laktaterhöhung auf 3,7 mmol/l und um 10.11 Uhr eine Laktaterhöhung auf 5,8 mmol/l. Bei verschlechtertem Aussehen des Kindes (blass-graues Colorit) und weiter bestehender Temperaturerhöhung (38.0 ) leitete Dr. L um 10.40 Uhr eine Antibiotika-Therapie mit Vancomycin, ergänzt ab 11.10 Uhr um Meroponem, ein. Der um 10.14 Uhr ausgedruckte Laborbefund mit einem CRP-Wert von 14,5 mg/l (Norm ≪ 3 mg/l), deutlich erhöhtem IL 6-Wert und Abfall der Leukozyten- und Thrombozytenzahl lag ihr ausweislich der Dokumentation bei Einleitung der Antibiose noch nicht vor.

Um 11.35 Uhr wurde der Kläger zu 1) im Rahmen eines septischen Schocks intubiert. Es erfolgten eine kreislaufunterstützende Therapie und - bei diagnostizierter disseminierter intravasaler Gerinnungsstörung mit Hautblutungen der unteren Extremitäten - die Gabe von Thrombozytenkonzentraten. Am 3.10.2005 wurde eine Lumbalpunktion durchgeführt. Die Untersuchungen von Blut, Stuhl, Urin und Liquor führten nicht zum Nachweis eines bestimmten Erregers. Der CRP-Wert erreichte am 4.10.2005, 19.25 Uhr, den höchsten Wert mit 195 mg/l. Die maschinelle Beatmung dauerte bis zum 7.10.2005. Am Hinterkopf des Klägers zu 1) bildete sich eine Nekrose, die später eine Narbe hinterließ. Am 24.10.2005 wurde der Kläger zu 1...

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