Leitsatz (amtlich)

Aus einer entsprechenden Anwendung von § 77 Abs. 2 VAG a.F. lässt sich ein Aufrechnungsverbot herleiten, soweit das Sicherungsvermögen geschützt ist; jedenfalls ergibt sich ein Aufrechnungsverbot aus § 394 BGB analog.

 

Normenkette

VAG a.F. § 77; BGB § 394

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 16.10.2008; Aktenzeichen 24 O 124/08)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 20.07.2011; Aktenzeichen IV ZR 177/09)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 24. Zivilkammer des LG Köln vom 16.10.2008 - 24 O 124/08 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird gestattet, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird im Hinblick auf die Frage der Zulässigkeit der Aufrechnung zugelassen.

 

Gründe

I. Die Beklagte hatte mit der Schuldnerin B. Versicherungs AG Rückversicherungsverträge abgeschlossen. Über das Vermögen der B. wurde mit Beschluss des AG Hamburg vom 1.9.2006 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.

Seit 1994 bestanden mehrere proportionale Rückversicherungsverträge einer obligatorischen Rückversicherung, zuletzt mit Vertragsanpassung am 9.6.2006 (Anlagen K 5 und B 1 Anlagenheft (AH)).

Darin heißt es u.a.:

"Art. 1. Grundlagen des Vertrages

1.1 Gegenstand

Gegenstand der Rückversicherung sind alle Versicherungen - einschließlich fakultativer Rückversicherungen -, die vom Rückversicherten in den im Anhang aufgeführten Versicherungszweigen gezeichnet werden.

...

1. 5 Irrtümer

Irrtümer und versehentliche Unterlassungen berühren die durch diesen Vertrag begründeten Rechte und Pflichten nicht, vorausgesetzt sie werden unverzüglich richtiggestellt ...

Art. 8 Abrechnung

8.1 Abrechnung

Spätestens sechs Wochen nach Quartalsende übermittelt der Rückversicherte dem Rückversicherer Quartalsabrechnungen in der Vertragswährung. Diese sind - getrennt nach den unter diesen Vertrag fallenden Versicherungszweigen oder - arten - nach Zeichungs- bzw. Anfalljahren aufzugliedern.

Der Rückversicherer bestätigt innerhalb von vier Wochen nach Zugang der Abrechnung deren Richtigkeit oder erhebt etwaige Einwendungen. Andernfalls gilt die Abrechnung als anerkannt.

8.2. Saldenausgleich

Der Rückversicherte begleicht einen Saldo zugunsten des Rückversicherers mit der Abrechnung. Ein Saldo zugunsten des Rückversicherten wird vom Rückversicherer zusammen mit dem Richtigbefund, spätestens jedoch vier Wochen nach Zugang der Abrechnung, ausgeglichen. Werden vom Rückversicherer Einwendungen erhoben, hat der Rückversicherer den anerkannten Teilbetrag des Saldos unverzüglich zu begleichen. Der Differenzbetrag ist unverzüglich nach Klärung der Einwendung zu zahlen.

...

8.4. Aufrechnung

Jede Partei hat das Recht, fällige Salden zu ihren Lasten gegen fällige Salden zu ihren Gunsten - auch wenn diese aus anderen Verträgen oder Geschäften resultieren - aufzurechnen."

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (im Folgenden: BaFin) bestellte mit Verfügung vom 13.2.2006 nach § 83a VAG einen Sonderbeauftragten, Herrn Dr. Dr. a M.. Dieser erklärte in einem Schreiben vom 28.6.2006 (Anlage B 5 AH) an die Beklagte, dass die Analysen zunächst zu dem Ergebnis geführt hätten, dass auf der Basis des aktuell erstellten Jahresabschlusses 2005 Überschuldung nicht ausgeschlossen werden könne, jedoch der ehemalige Vorstandsvorsitzende und Hauptaktionär nunmehr sich verpflichtet habe, wesentliche Teile seiner Verbindlichkeiten ggü. B. zurückzuführen. Die Beklagte wies mit Schreiben vom 21.7.2008 darauf hin, dass die offenen Forderungen nicht beglichen seien (B 6 AH). Mit Schreiben vom 1.8.2006 (B 7 AH) erklärte der Sonderbeauftragte, noch zuversichtlich zu sein, unter dem 13.8.2006 (B 8 AH) erklärte er, dass B. möglicherweise bald überschuldet sein könne und bat um Zustimmung zu einem Ratenzahlungsplan für die Prämienforderungen. Am 15.8.2006 stellte die BAFin hinsichtlich B. Insolvenzantrag.

Mit Schreiben vom 15.8.2006 kündigte die Beklagte die obligatorischen Rückversicherungsverträge zum 1.9.2006 (B 2 AH) und mit Schreiben vom 16.8.2006 (B 3 AH) fristlos, wobei der obligatorische nichtproportionale Rückversicherungsvertrag Allgemeine Haftpflichtversicherung Schadenexzedenten rückwirkend wegen Nichtzahlung der Vorausprämie gekündigt wurde.

Unter dem 14.11.2006 (Bl. 9 f.) übersandte der Kläger der Beklagten eine Schadensabrechnung für Juli und August 2006 über 25.378,04 EUR und bat um Überweisung auf Anderkonto. Die Abrechnung wies einen Saldo zugunsten der Beklagten von 197.400,45 EUR auf, wobei der Kläger darauf hinwies, dass wegen der Insolvenzeröffnung eine Verrechnung nicht möglich sei (K 6 AH). Unter dem 25.1.2007 (Bl. 11) übersandte der Kläger der Beklagten eine weitere Schadensabrechnung für September bis Dezember 2006 über 60.553,78 EUR. Hierin entha...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge