Entscheidungsstichwort (Thema)

Hausnotruf

 

Leitsatz (amtlich)

1. Verstöße gegen das Verbot, Verbraucher ohne ihre vorherige ausdrückliche Einwilligung anzurufen oder anrufen zu lassen, um für Waren oder Dienstleistungen (hier: für einen Hausnotrufdienst) zu werben, können von Verbraucherschutzverbänden gerichtlich verfolgt werden, ohne dass dem eine richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts entgegensteht.

2. Wohlfahrtsorganisationen handeln im Bereich ihrer sozialunternehmerischen Tätigkeiten, die auch von anderen Verbänden und privaten Unternehmen angeboten werden, geschäftlich gegenüber Verbrauchern und unterliegen insoweit den Regeln des Wettbewerbsrechts.

3. Die Bejahung einer Frage am Ende einer telefonischen Meinungsumfrage kann als vorherige ausdrückliche Einwilligung mit künftigen Werbeanrufen genügen, wenn deren Umfang nach dem Inhalt der Frage für einen aufmerksamer und verständigen Durchschnittsverbraucher hinreichend abschätzbar ist.

 

Normenkette

UWG § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 7 Abs. 2 Nr. 2, § 8 Abs. 3 Nr. 3; Richtlinie 2002/58/EG Art. 13

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 29.02.2012; Aktenzeichen 84 O 236/11)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 29.2.2012 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des LG Köln - 84 O 236/11 - wird zurückgewiesen.

Die weiteren Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Dieses Urteil sowie das Urteil des LG sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung des Unterlassungstenors durch Sicherheitsleistung i.H.v. 15.000 EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Im Übrigen dürfen die Parteien die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Gegner vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger ist ein Verband zum Schutz von Verbraucherinteressen. Die Beklagte ist eine dem souveränen P. und seinen wohltätigen Zielen verbundene gemeinnützige Organisation; u.a. ist sie im Bereich der Versorgung behinderter und älterer Menschen sozialunternehmerisch tätig und bietet (wie andere Wohlfahrtsverbände und private Unternehmen) Hausnotrufdienste an.

Am 11.5.2011 rief eine Callcenter-Agentin im Auftrag der Beklagten bei den Eheleuten C in L an, um Frau C über das Thema Hausnotruf zu informieren. Der Kläger sieht in dem nach kurzer Zeit beendeten Telefonat eine unzumutbar belästigende Telefonwerbung. Er hat die Beklagte auf Unterlassung und Abmahnkostenersatz in Anspruch genommen. Die Beklagte hat behauptet, Frau C habe am 21.1.2010 gegen 16:05 Uhr an einer Marktbefragung zum Thema "Barrierefrei Reisen - Urlaub mit Rollstuhl - Urlaub für Senioren" durch ein Meinungsumfrageinstitut teilgenommen und gegen Ende die Frage bejaht, ob sie von Hilfs- und Wohlfahrtsorganisationen über Assistenzsysteme und Hilfsmittel in der Häuslichkeit telefonisch angesprochen und informiert werden wolle, was elektronisch erfasst worden sei und dem Anruf vom 11.5.2011 zugrunde gelegen habe.

Mit dem angefochtenen Urteil, auf das Bezug genommen wird, hat das LG die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von 200 EUR nebst Zinsen an den Kläger sowie dazu verurteilt, es bei Meidung von Ordnungsmitteln zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen Verbraucher ohne ihre vorheriges ausdrückliches Einverständnis anzurufen bzw. anrufen zu lassen, um für einen Hausnotruf zu werben.

Mit ihrer Klageabweisung erstrebenden Berufung rügt die Beklagte unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens, dass der Verbotstenor zu unbestimmt sei. In der Information über ihren Hausnotrufdienst liege wegen der damit verfolgten religiösen und gemeinnützigen Zwecke kein Handeln im geschäftlichen Verkehr. Zudem habe das LG die Anforderungen an die Wirksamkeit einer Einwilligung in die telefonische Ansprache überspannt. Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.

II. Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg.

1. Entgegen der Auffassung der Beklagten sind der Verbotstenor und der ihm zugrunde liegende Klageantrag hinreichend bestimmt.

Allerdings darf ein Unterlassungsantrag gem. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht derart undeutlich gefasst sein, dass Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts nach § 308 Abs. 1 ZPO nicht erkennbar abgegrenzt ist, für den Anspruchsgegner keine hinreichenden Verteidigungsmöglichkeiten bestehen und der Streit um eine Zuwiderhandlung gegen das ausgesprochene Verbot in das Vollstreckungsverfahren verlagert würde. Daher genügt die bloße Wiederholung des Gesetzeswortlauts dem Bestimmtheitserfordernis eines Unterlassungsantrag in der Regel nicht (st. Rspr.: BGH GRUR 2000, 438 [440] - Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge; BGH GRUR 2002, 77 [78] - Rechenzentrum; BGH GRUR 2007, 607 [Rz. 16] - Telefonwerbung für "Individualverträge"; BGH GRUR 2011, 433 [Rz. 10] - Verbotsantrag bei Telefonwerbung; BGH GRUR 2011,...

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