Verfahrensgang

LG Köln (Aktenzeichen 31 O 131/16)

 

Tenor

I. Das Verfahren wird ausgesetzt.

II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zur Auslegung von Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, Art. 9 Abs. 1 Buchst. a, Art. 95 Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.05.2012 über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Steht mit der Genehmigung eines Wirkstoffs durch eine Durchführungsverordnung gemäß Art. 9 Abs. 1 Buchst. a VO (EU) 528/2012 für ein Gerichtsverfahren in einem Mitgliedsstaat verbindlich fest, dass der der Genehmigung zugrundeliegende Stoff dazu bestimmt ist, im Sinne des Art. 3 Abs. 1 Buchst. a VO (EU) 528/2012 auf andere Art als durch bloße physikalische oder mechanische Einwirkung zu wirken oder obliegen die tatsächlichen Feststellungen, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 Buchst. a VO (EU) 528/2012 erfüllt sind, auch nach Erlass einer Durchführungsverordnung dem zur Entscheidung berufenen Gericht des Mitgliedsstaates?

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über die Frage, ob die Beklagte berechtigt ist, ein Produkt zur Schädlingsbekämpfung, das Kieselgur als Wirkstoff enthält, in den Verkehr zu bringen, auch wenn dieses nicht von einem gelisteten Importeur oder Hersteller stammt.

Die Klägerin ist ein mittelständisches Unternehmen und entwickelt Produkte für die Landwirtschaft, überwiegend auf biologischer Basis, beantragt Zulassungen und bringt die zugelassenen Produkte im Bereich der Bundesrepublik Deutschland, anderer EU-Staaten oder Staaten des Europäischen Wirtschaftsraumes in Verkehr.

Zu diesen Produkten gehören auch Produkte, welche den Wirkstoff Kieselgur (der Wirkstoff ist unter zahlreichen weiteren Bezeichnungen bekannt) enthalten und von der Klägerin unter dem Handelsnamen "A" in Verkehr gebracht werden. Diese Produkte dienen der Bekämpfung von kriechendem Ungeziefer, insbesondere der roten Vogelmilbe, in Geflügelställen.

Der Wirkstoff "Kieselgur" ist ein Mineral, das aus mikroskopisch kleinen Schalen abgestorbener Kieselalgen gewonnen wird und überwiegend aus Siliziumdioxid besteht. Durch Kontakt mit dem Wirkstoff stäuben sich die Schadinsekten und Milben ein, wodurch die auf ihren Panzern befindliche (die Tiere eigentlich vor Austrocknung schützende) Wachsschicht beeinflusst wird. Die Schadinsekten und Milben dehydrieren in der Folge und sterben.

Die Klägerin beantragte die Zulassung des Wirkstoffs Kieselgur gemäß der Verordnung (EU) Nr. 528/2012. Hierfür reichte sie das erforderliche Dossier ein, welches sie unter nicht unerheblichem finanziellem Aufwand erstellen ließ.

Gemäß Durchführungsverordnung (EU) 2017/794 der Kommission vom 10.05.2017 zur Genehmigung von Siliciumdioxid/Kieselgur als altem Wirkstoff zur Verwendung in Biozidprodukten der Produktart 18 ist Siliciumdioxid/Kieselgur als Wirkstoff zur Verwendung in Biozidprodukten der Produktart 18 vorbehaltlich der Spezifikationen und Bedingungen im Anhang genehmigt worden. Die Durchführungsverordnung ist am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung in Kraft getreten. Die Klägerin ist - derzeit als einziger Hersteller dieses Wirkstoffs - in der Liste gemäß Art. 95 VO (EU) 528/2012 unter der Nr. CAS 61790-53-02 eingetragen worden.

Die Beklagte bietet Produkte für Tierhalter und die Mischfutterindustrie unter anderem zum "Parasitenmanagement speziell im Geflügelbereich" über einen Online-Shop sowie über den Online-Marktplatz B an. So vertreibt sie unter anderem ein Produkt mit dem Handelsnamen "C" zur Bekämpfung von Geflügelmilben, insbesondere der roten Vogelmilbe, das ebenfalls den Wirkstoff Kieselgur enthält, ohne den Wirkstoff von der Klägerin zu beziehen.

Die Klägerin hält dieses Angebot der Beklagten für wettbewerbswidrig, weil diese gegen §§ 3, 3a UWG i.V.m. Art. 95 Abs. 2, 3 VO (EU) 528/2012 verstoße. Der Wirkstoff Kieselgur wirke nicht allein auf bloß physikalische oder mechanische Weisen. Die Klägerin hat die Beklagte auf Unterlassung, Auskunft, Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht und Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens abgewiesen. Die geltend gemachten Ansprüche bestünden nicht gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1, §§ 3, 3a UWG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 Buchst. a, Art. 95 Abs. 2 und 3 VO (EU) 528/2012.

II. Die Entscheidung im vorliegenden Rechtsstreit hängt von der Auslegung der Art. 3 Buchst. a, Art. 9 Abs. 1 Buchst. a VO (EU) 528/2012 sowie der Bindungswirkung einer auf ihrer Basis erlassenen Durchführungsverordnung ab. Vor einer Entscheidung über das Rechtsmittel kann deshalb das Verfahren ausgesetzt werden und gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 2 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union eingeholt werden. Dies hält der Senat im vorliegenden Verfahren für geboten.

1. Das Landgericht hat die Klage für unbegründet erachtet und hierzu ausgeführt:

Zwar seien die Pa...

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