Leitsatz (amtlich)
1. Mehrere Kfz-Vertragshändler, die einen Post des Herstellers auf ihren jeweiligen Facebook-Seiten geteilt haben, sind nicht schon allein deswegen gemäß § 8c Abs. 2, Ziff. 7 UWG als "mehrere Zuwiderhandelnde" verantwortlich, wenn dem Teilen der Werbevorlage jeweils eine eigene unternehmerische Entscheidung zugrunde liegt.
2. Die Abmahnung von 26 Vertragshändlern, die dieselbe Werbeveröffentlichung geteilt haben, ist nicht im Sinne des § 8c Abs. 2 Ziff. 6 UWG als rechtsmissbräuchlich anzusehen, wenn sachliche Gründe für die getrennte Verfolgung bestehen, z.B. wenn nicht erkennbar wird, dass die Händler einen gemeinsamen Ansprechpartner haben, sich vor Gericht durch denselben Anwalt vertreten lassen wollen oder eine Gerichtsstandbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO anregen.
3. Hinsichtlich der in Abschnitt II Nr. 3 der Anl. 4 zu § 5 PKW-EnVKV geregelten Pflichten, wonach unter anderem sicherzustellen ist, dass dem Empfänger des Werbematerials die geschuldeten Informationen automatisch in dem Augenblick zur Kenntnis gelangen, in dem erstmalig Angaben zur Motorisierung auf der Internetseite angezeigt werden, kann der Werbetreibende sich nicht darauf berufen, dass zur Angabe des Hubraums im Textfeld des Werbeposts die Angaben zum offiziellen Kraftstoffverbrauch und zu den Co2-Emissionen erst in einem zusätzlichen, automatisch ablaufenden Videoclip nach 17 Sekunden oder nach Anklicken des Buttons "Mehr ansehen" unter dem Werbetext erfolgen.
Normenkette
Pkw-EnVKV § 5 Anl. 4 Abschn. II Nr. 3; UWG § § 3a, 5a Abs. 2, § 8c Abs. 2 Ziff. 6, § 8c Abs. 2 Ziff. 7
Verfahrensgang
LG Bonn (Aktenzeichen 30 O 84/21) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 22.12.2021 verkündete Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bonn - 30 O 84/21 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an ihren Geschäftsführern,
zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Internet für neue Personenkraftwagen, die noch nicht zu einem anderen Zweck als dem des Weiterverkaufs oder der Auslieferung verkauft wurden (im Sinne des § 2 Nr. 1 der Verordnung über Verbraucherinformationen zu Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen neuer Personenkraftwagen), für das Modell Mitsubishi Space Star BASIS 1.2, Benziner, mit Motorisierungsangaben zu werben, ohne zugleich deren Werte des offiziellen Kraftstoffverbrauchs im kombinierten Testzyklus und deren Werte der offiziellen spezifischen CO2-Emissionen im kombinierten Testzyklus anzugeben und sicherzustellen, dass dem Empfänger der Werbung diese Informationen automatisch in dem Augenblick zur Kenntnis gelangen, in dem auf der Internetseite erstmalig Angaben zur Motorisierung der beworbenen Personenkraftwagen gemacht werden, wenn dies geschieht wie auf dem Facebook-Internetauftritt der Beklagten unter www.facebook.com/Autohaus-C. GmbH.../ am 04.06.2021, wiedergegeben wie folgt:
((Abbildung))
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 228,02 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. hieraus seit dem 15.08.2021 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden der Beklagten auferlegt.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung seinerseits Sicherheit leistet. Die Höhe der zu leistenden Sicherheit beträgt bezüglich des Unterlassungsanspruchs 30.000,00 EUR und im Übrigen für die Beklagte 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages und für den Kläger 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger ist ein klagefähiger Umwelt- und Verbraucherschutzverband. Die Beklagte betreibt ein Autohaus in T..
Am 22.05.2021 teilte die Beklagte - ebenso wie zahlreiche weitere Mitsubishi-Vertragshändler - in ihrem Facebook-Auftritt mittels eines Posts einen 25 Sekunden langen automatisch ablaufenden Videoclip der Facebook-Seite "Mitsubishi Motors DE" mit dem vorangehenden Kommentar:
"Passend zu unserem Angebot !!! Das ist mal günstige Werbung !!! [...]".
Der Videoclip lief automatisch vollständig ab, sobald sich der geteilte Post der Beklagten zum Großteil auf dem Bildschirm eines Internetnutzers befand; ein weiterer Mausklick war nicht erforderlich. Zu Beginn des Videoclips wurde ein Bild eines Personenkraftwagens von Mitsubishi eingeblendet. Zeitgleich erschienen folgende Untertitel: "Silber für unseren Goldjungen! Platz 2 für den Space Star beim ADAC Autokosten-Check 20211;space-star.de". Anschließend wurde das Logo von Mitsubishi Motors zentral eingeblendet. Nach 17 Sekunden erschien die Auflösung der Fußnote "1" mit u.a. den Angaben zum Kraftstoffverbrauch und den CO2-Emissionen. Nach Ablauf des Videoclips begann dieser automatis...