Leitsatz (amtlich)
Hat es der Makler übernommen, die Gesundheitsfragen zum Zweck der Antragseinreichung beim Versicherer zu formulieren und anstelle des Versicherungsnehmers zu beantworten, so gelten die Fragen nach dem Gesundheitszustand unabhängig davon, ob sie dem Versicherungsnehmer bekannt waren, als Fragen des Versicherers "in Textform".
Verfahrensgang
LG Bonn (Urteil vom 18.11.2013; Aktenzeichen 9 O 173/13) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten werden das am 18.11.2013 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des LG Bonn - 9 O 173/13 - abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtstreits werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger wurde in den Jahren 2009, 2010 und 2011 regelmäßig ärztlich untersucht und behandelt. Dabei wurden in den ärztlichen Unterlagen die Diagnosen Alopezie, multiple Leberhämangiome, Hypercholesterinanämie, Arteriosklerose, Milzzyste, Skoliose, Herzklappeninsuffizienz und Spannungskopfschmerzen festgehalten. Wegen der Behandlungen nahm er Leistungen seines damaligen Krankenversicherers in Anspruch. Ihm fehlten Ende 2011 drei Zähne.
Der Kläger reichte bei der Beklagten unter dem 8.12.2011 über einen Versicherungsmakler, mit dem er seinen Gesundheitszustand telefonisch erörtert hatte, einen Antrag auf Abschluss einer privaten Krankenversicherung ein. Bei der Beklagten ging auf elektronischem Wege ein vierseitiger Antrag ein (Anlage B1). Auf der zweiten Seite dieses Antrags war die Frage nach Beschwerden und Untersuchungen innerhalb der letzten drei Jahre lediglich unter Hinweis auf Bluthochdruck seit 1995 und entsprechende Medikation mit dem Zusatz "keine Herz-Kreislauferkrankung" bejaht. Auf die Frage nach fehlenden Zähnen war auf derselben Seite angegeben, dass dem Kläger ein Zahn fehle. In einem von der Beklagten übersandten Formblatt gab der Kläger am 29.12.2011 an, nicht an Migräne, Kopfschmerzen, Kropf- oder Schilddrüsenerkrankungen zu leiden. Die Beklagte nahm den Antrag mit einem Prämienzuschlag von 60 EUR wegen Bluthochdrucks und mit Wirkung zum 1.1.2012 an. Dabei bezeichnete sie den Makler als "Ansprechpartner in allen Versicherungsfragen".
Der Kläger erlitt am 1.5.2012 einen Herzinfarkt. Er unterzog sich einer Zahnbehandlung.
Die Beklagte trat mit Schreiben vom 1. und 26.3.2013 vom Versicherungsvertrag zurück und verwies dabei am 1.3.2013 auf die Behandlungen in den Jahren 2009 bis 2011 und am 26.3.2013 auf die Anzahl der fehlenden Zähne, die der Kläger jeweils nicht korrekt angegeben habe.
Der Kläger hat behauptet, ihm sei ärztlicherseits vor Vertragsabschluss regelmäßig versichert worden, dass bei ihm keine Erkrankungen vorlägen. Von dem bei der Beklagten eingegangenen Versicherungsantrag habe er lediglich die erste und die dritte Seite, die ihm vom Makler per E-Mail übersandt worden seien, ausgedruckt, ausgefüllt, unterschrieben, dann wieder eingescannt und dem Makler so per E-Mail zurückgeschickt. Die zweite Seite mit den Gesundheitsangaben habe er weder ausgefüllt noch gesehen. Die Beklagte sei vor Annahme des Antrags über vergangene Krankheitsbilder informiert gewesen.
Der Kläger hat beantragt, 1. festzustellen, dass der Krankenversicherungsvertrag mit der Versicherungsnummer 2xx/0xx 2x4 xx0 X 0xxx6 fortbesteht und nicht durch den Rücktritt der Beklagten zum 1.3.2013 beendet ist; und 2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche Anwaltskosten i.H.v. 718,40 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6.6.2013 zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und behauptet, der Kläger habe auch die zweite Seite des bei ihr eingegangenen Antrags ausgefüllt. Er habe auch eine Mitteilung über die Folgen von Anzeigepflichtverletzungen (Anlage B2) erhalten. In Kenntnis der weiteren Behandlungen hätte sie den Antrag abgelehnt.
Das LG hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Das Versicherungsverhältnis zwischen den Parteien sei nicht durch den Rücktritt der Beklagten beendet worden. Das in Anspruch genommene Rücktrittsrecht wegen einer Verletzung der Anzeigepflicht nach § 19 Abs. 1 VVG bestehe nicht, denn die Anzeigepflicht entstehe nicht bereits dadurch, dass Fragen des Versicherers irgendwo in Textform existierten, sondern erst, wenn der Versicherer "in Textform gefragt hat". Insoweit sei die Beklagte beweisfällig geblieben. Der hierzu vorgelegte Ausdruck des bei ihr eingegangenen Antragsformulars (Anlage B1) erlaube nicht den Rückschluss, dass dieser dem Kläger vorgelegen habe. Insbesondere sei es möglich, dass die Seite mit den Gesundheitsfragen nachträglich vom Makler eingefügt worden sei. Dem erst nach der mündlichen Verhandlung unterbreiteten Angebot der Beklagten, den Makler als Zeuge...