Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Teil-Endurteil des Landgerichts Aachen vom 03.09.2019 (8 O 39/17 LG Aachen) nebst dem ihm zugrundeliegenden Verfahren aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Aachen zurückverwiesen.
2. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
3. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Der Kläger begehrt mit der Klage die Zahlung von Schadensersatz von der Beklagten wegen "Schockschadens" aufgrund eines Unfallereignisses vom 02.08.2015, bei dem der damals knapp 3 ½ -jährige Sohn des Klägers schwer verletzt wurde. Die Beklagte begehrt im Gegenzug mit der Widerklage von dem Kläger im Wege des Gesamtschuldnerregresses wegen einer Aufsichtspflichtverletzung des Klägers Zahlung von 5.492,54 EUR sowie die Feststellung der Verpflichtung des Klägers zur Erstattung aller Aufwendungen, die die Beklagte im Rahmen des von ihr zu leistenden Schadenersatzes an das Kind C. O. Z. oder an Sozialversicherungsträger bzw. sonstige Dritte im Hinblick auf den Unfall vom 02.08.2015 zu leisten hat.
Der Sohn C. O. Z. des Klägers verunglückte am 02.08.2015 in Höhe seines Elternhauses "P.-straße N01" in U., als er mit seinem Laufrad einen neben dem Haus befindlichen abschüssigen Weg herunterfuhr und sodann auf die Fahrbahn der kreuzenden Straße "P.-straße" rollte. Auf der Fahrbahn der Straße "P.-straße" wurde das Kind von dem bei der Beklagten haftpflichtversicherten und von dem Zeugen S. geführten Pkw I. D. mit dem amtlichen Kennzeichen Q. - M. N02 erfasst, welches in Richtung der Straße "T.-straße" unterwegs war. Das Kind wurde von dem Fahrzeug derart erfasst, dass es unter den Wagen geriet und danach mit einem Hubschrauber in die Klinik geflogen werden musste. Das Kind erlitt schwere Verletzungen, insbesondere ein Schädelhirntrauma rechts mit mehreren Schädelbrüchen und Hirnödem, Lungenkontusion, Milzruptur, Fraktur des Skapula sowie Persönlichkeits- und Entwicklungsstörungen. Der Sohn des Klägers wurde operativ und neurochirurgisch behandelt. Noch heute leidet er unter den Folgen des Unfallgeschehens. Er wurde vier Tage lang beatmet und erlitt durch den Unfall eine motorische Schwäche der rechten Körperhälfte sowie wiederkehrend auftretende Bewusstseinsverluste im Zusammenhang mit Krampfanfällen und Artikulations- und Wortfindungsstörungen.
Der Sohn des Klägers hat gegen die Beklagte als Kfz-Haftpflichtversicherer des Kfz-Halters vor dem Landgericht Kassel Schadensersatzansprüche geltend gemacht (2 O 269/19). Vor dem Landgericht Kassel haben die Parteien sodann zur Abgeltung aller bestehenden Ansprüche des Sohnes des Klägers am 22.03.2019 einen Abfindungsvergleich in Höhe von 20.000,00 EUR vereinbart; dieser Betrag ist inzwischen an den Sohn gezahlt worden (Bl. 264, 312 GA).
Das Landgericht hat am 19.03.2019 einen Hinweis- und Beweisbeschluss erlassen, nach welchem der Kläger sich im Falle der Zuerkennung der Klageforderung ggf. ein eigenes Mitverschulden wird anrechnen lassen müssen. Über die von dem Kläger geltend gemachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen und die Frage der Unfallbedingtheit möglicher Erkrankungen soll Beweis erhoben werden soll durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens (vgl. im Einzelnen Bl. 218 ff. GA).
Das Landgericht hat sodann in dem am 03.09.2019 verkündeten Teil-Versäumnisurteil und Teil-Endurteil (Bl. 246 ff. GA) die Klage im Wege des Teil-Versäumnisurteils abgewiesen, nachdem in dem Verhandlungstermin vom 20.08.2019 für den Kläger niemand erschienen war (Bl. 243 GA). Die Widerklage der Beklagten hat die Kammer im Wege des Teil-Endurteils insgesamt abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass dem Kläger keine grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen sei. Gegen das klageabweisende Teil-Versäumnisurteil hat der Kläger mit Schriftsatz vom 03.09.2019 (Bl. 258 GA), eingegangen beim Landgericht am selben Tag, frist- und formgerecht Einspruch eingelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten sowie der erstinstanzlichen Anträge der Parteien wird auf den Inhalt des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Gegen das die Widerklage abweisende Teil-Endurteil hat die Beklagte und Widerklägerin frist- und formgerecht Berufung eingelegt.
Zur Begründung ihrer Berufung führt sie aus, dass die Auffassung des Landgerichts, dass der Kläger im Rahmen des Unfallgeschehens vom 02.08.2015 seine Aufsichts- und Sorgfaltspflichten gegenüber seinem Sohn nicht grob fahrlässig verletzt habe, auf lebensfremden Überlegungen beruhe. Der Kläger hätte sehr wohl damit rechnen müssen, dass sein Sohn mit dem Laufrad bis zum Ende des Weges auf die Straße fahre. Es sei grob fahrlässig gewesen, dass der Kläger sich nicht in einer solchen Entfernung zu seinem Sohn aufgehalten habe, dass er ihn jederzeit hätte anhalten können. Im Innenverhältnis der beiden Gesamtschuldner hafte der Kläger alleine, da dem anderen Gesamtschuldner - dem Fahrer des bei der Beklagten haftpflichtversicherten Fahrzeugs - kein schuldhafter Straßenverkehrsverstoß ...